Konferenz "Krieg erzählen":Unvorstellbares darstellen

Lesezeit: 4 min

Wie das Verschwinden professioneller Kriegsberichterstatter die Medieninhalte verändert, diskutieren Journalisten auf einer Konferenz in Berlin. Währenddessen informieren sie sich mithilfe der sozialen Netzwerke über die Situation in der Ukraine.

Von Felix Stephan

Das Erste, was im Krieg stirbt, ist die Zentralperspektive. Vor jedem Leichenberg, vor jedem Massengrab stehen Leute, die drumherumreden. Es gibt keine Frontlinie, an der es nicht vor Mediendirektoren wimmeln würde, deren Aufgabe es ist, dem humanitären Extremfall ein samtenes Formulierungsgewand umzuhängen: Freiheit, Fortschritt, Menschenrechte.

Während des arabischen Frühlings hatten noch viele gehofft, dass sich das Problem von selbst erledigen würde, weil es jetzt das Internet gibt. Die urbane, westlich gesinnte Medienelite konnte in allen Ländern des arabischen Raums Smartphones besser bedienen als die konservative Landbevölkerung, weshalb in Europa und den USA bei vielen der Eindruck entstand, das Zeitalter der Regierungspropaganda gehöre endgültig der Vergangenheit an. In Syrien unterhält das Assad-Regime allerdings mittlerweile die "Syrian Electronic Army", eine hochkompetente Hacker-Einheit, die Webseiten kapert, Kommunikation überwacht und Aktivisten ortet. Im August des vergangenen Jahres hat die Gruppe die Webseiten der New York Times und der Washington Post für einige Stunden vom Netz genommen.

Vorstellen, denken, sprechen

Bei der von der Journalistin Carolin Emcke und dem Historiker Valentin Groebner veranstalteten Konferenz "Krieg erzählen" traten am Wochenende im Berliner Haus der Kulturen der Welt vor allem Menschen auf, die den kriegsbedingten Sprachnebel aufzuklären versuchen. "Uns wird dauernd gesagt, Krieg sei unvorstellbar, undenkbar, unaussprechlich", sagte etwa der amerikanische Journalist Philip Gourevitch, der mit seinen Berichten vom Genozid in Ruanda bekannt geworden ist, "dabei ist das genau unsere Aufgabe: vorstellen, denken, sprechen."

Eine Aufgabe, die traditionell den Kriegsberichterstattern zukam, fehlte in dieser Aufzählung: abbilden. Zur Bilderproduktion braucht es heute tatsächlich keine Journalisten mehr, das wurde an diesem Wochenende deutlich wie selten. Während in der Berliner Kongresshalle diskutiert wurde, wie sich Krieg erzählen ließe, kollabierte auf den Smartphone-Displays der Teilnehmer die ukrainische Regierung: verletzte Demonstranten, brennende Barrikaden, Janukowitsch abgesetzt, Timoschenko frei, im Flieger, auf dem Maidan. Alles live. Die Bilder stammten zum großen Teil von Aktivisten, Anwohnern oder Unbeteiligten, die sich unter dem Twitter-Hashtag #euromaidan versammelten.

Ausländische Kriegsreporter spielen in diesem Sprach- und Bilderschaum nur eine Nebenrolle. Ihre Bedeutung schwindet nicht nur, weil die sozialen Netzwerke als Nachrichtenkanäle immer wichtiger werden, sondern auch, weil es schlicht immer weniger von ihnen gibt. Im 20. Jahrhundert waren es vor allem die Zeitungen und Agenturen, die Reporter und Fotografen in internationale Konfliktgebiete entsandten und deren Bilder und Geschichten in die Welt schickten. Seitdem die Anzeigenkunden ins Internet abwandern und die Budgets schrumpfen, sind diese teuren Reportereinsätze kaum mehr zu finanzieren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema