Süddeutsche Zeitung

Komplizierter Kitsch:Kuckucksuhrherz

Autistischer Hausmeistergehilfe trifft Zimmermädchen im Sorgerechtsstreit. Mit "Verliebt in Valerie" zeigt die ARD eine romantische Liebes-Schnulze am See.

Von Aurelie von Blazekovic

Ein autistischer Hausmeistergehilfe und ein Zimmermädchen im Sorgerechtsstreit. Das ist zumindest nicht die allergewöhnlichste Ausgangssituation für eine Fernsehromanze. Und gewöhnlich, das muss man Verliebt in Valerie lassen, ist die Beziehung zwischen Florian und Valerie wirklich nicht. Mit seiner rein rationalen Sicht auf das Leben macht Florian (Sebastian Zimmler) dem drohenden Kitsch im Grandhotel am Tegernsee immer wieder einen unerwarteten Strich durch die Rechnung.

Der hochbegabte Ex-Meterologe, fährt mit seinem Golfkart durchs Luxusresort, murmelt von Kumuluswolken, scheut Türschwellen und hört immerzu Valerie von Amy Winehouse. Er zieht seine angebetete Kollegin, die deprimiert-chaotische Valerie (Mina Tander), aus dem Hotelpool, als die betrunken auf einer Luftmatratze eingeschlafen ist. Dann liest er ihr die ganze Nacht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch vor. Valerie steckt nämlich mitten im Rechtsstreit mit ihrem Ex-Mann, da kommt Florian gerade richtig. Der kann ihr mit seiner Begabung für alles Logische nach kurzer Gesetzbuchlektüre einen Weg aus der Misere zeigen, ach was, ihr ganzes Leben neu ordnen.

Wofür Florian wiederum gar keine Begabung hat: locker mit seinen Gefühlen für Valerie umgehen. Sein Wissen über die Liebe hat er aus fragwürdigen Tipps seines Mentors, dem Hausmeister Henk (Martin Wuttke), und dessen Groschenromanen. "Pocht dein Herz schon wie das Innenleben einer Kuckucksuhr?", fragt Florian Valerie also sehr sachlich. Und als die Sex mit einem anderen hat, marschiert er unbeirrt ins Zimmer und legt ihr seinen Plan für die Neustrukturierung ihres Lebens dar.

Dank dieser ehrlich erheiternden Szenen erträgt man besser, dass Valeries Chaotenmutter-Charakter ganz schön holzschnittartig daherkommt, genauso wie der des schmierlappige Hotelchefs, oder der von Valeries bösem, wirklich sehr gemeinen Ex-Mann. Irritierend sind auch die Sprachfärbungen von Henk und seiner geliebten Hotelmanagerin Marta - eine Romanze reicht nicht - die wohl süddeutsch anmuten sollen. Überhaupt ist die zünftig-bajuwarische Dirndl-und-Lederhosen-Atmosphäre am Tegernsee ganz schön überdreht. Aber verziehen, das Ganze soll ja schließlich eine Komödie sein.

Fraglich ist tatsächlich, ob die Komik von Verliebt in Valerie nicht auf der Darstellung von Florians Autismus beruht. Der bedeutet im Film genau zwei Dinge: skurrile Hochbegabung und soziale Wunderlichkeit. Florian wird immer wieder mit seiner Andersartigkeit konfrontiert, Kranker, Soziopath, Psychopath geschimpft. Aber solche Leute, weiß er, haben "gar keine Ahnung von der korrekten Klassifizierung psychischer Störungen". Natürlich ist Verliebt in Valerie aber kein Film mit dem Anspruch, dem autistischen Spektrum gerecht zu werden. Sondern eine romantische Fernsehkomödie.

Der wetterbesessene Florian resümiert: "Die Menschen denken immer, das Wetter sei unberechenbar und kompliziert. Dabei ist es genau umgekehrt, die Menschen sind unberechenbar und kompliziert."

Verliebt in Valerie, ARD, Samstag, 20.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 02.03.2019
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