Komiker Oliver Kalkofe:Wehrt euch!

Oliver Kalkofe

Der Medienkritiker, Moderator und Komiker Oliver Kalkofe.

(Foto: dpa)

Seit 20 Jahren parodiert Oliver Kalkofe den TV-Trash, dem sich viele Zuschauer längst ergeben haben. Mit heiligem Ernst kämpft er in seiner Sendung gegen die Publikumsverblödung an. Zum Jubiläum schenkt ihm sein Sender Tele 5 nun eine ganze "Kalkwoche". Ein Treffen mit Suppe.

Von David Denk

Oliver Kalkofe spricht viel mit sich selbst. Anfangs war er darauf so stolz, dass er es jedem vorführen musste, mittlerweile ist es Routine geworden. Er ist dabei nicht er selbst - was erheblich weniger besorgniserregend ist, als es vielleicht klingt. Denn Kalkofe spricht nur im Kostüm mit sich selbst: Beim ersten Mal waren es Tony Marshall und Roberto Blanco, denen er in Kalkofes Mattscheibe die Chance gab, sich zu unterhalten.

Das geht so: Bevor die erste Figur gedreht wird, spricht Kalkofe den Text der zweiten auf Band, kriegt im Studio einen Knopf ins Ohr und hört, während er spielt, den eingesprochenen Text. Bei der zweiten Figur hat er den O-Ton der schon gedrehten im Ohr und sieht im Augenwinkel auch die Bilder. "Die Herausforderung ist es, genau in die Lücken zu treffen", sagt Kalkofe, was ihm aber nicht mehr viel Mühe macht. "Wir brauchen selten mehr als drei Versuche."

Wortgewaltiges TV-Bashing

Für solche bizarren Parodien in albernen Kostümen wird Kalkofe von seinen Fans geliebt. In 20 Jahren und rund 1500 Clips seiner One-Man-Satire-Show hat der 48-Jährige die Technik des wortgewaltigen TV-Trash-Bashings mit Regisseur Marc Stöcker so weit verfeinert, dass es ihn selbst aber manchmal ein bisschen anödet. Zum Geburtstag wünscht er sich "wieder mehr Wildheit", mehr Experiment.

Das Jubiläum feiert Kalkofes Haussender Tele 5 vor Ostern mit einer "Kalkwoche". Von den 20 Jahren waren aber etwa acht Jahre Pause. "Das Format lebt seit 1994, war aber zwischendurch lange in der Reha", sagt Kalkofe. Nach dem Bezahlsender Premiere, der heute Sky heißt, nach der ARD und Pro Sieben ist Tele 5 schon der vierte Mattscheiben-Sender - sicher kein Zufall. Nur weil die deutschen Programme voller Comedy sind, verstehen die Verantwortlichen noch lange keinen Spaß. Umso besser, dass Tele-5-Geschäftsführer Kai Blasberg ein Fan ist.

Dass der Sender durch Kalkofe einen Werbekunden verloren hat, erfuhr dieser nur nebenbei. Die Brust von Blasberg sei sehr breit, sagt Kalkofe. "Ich bin inhaltlich freier denn je." Neben der Mattscheibe liest er bei Tele 5 noch Nichtgedanken aus Promibüchern vor und präsentiert Die Schlechtesten Filme aller Zeiten. "Wenn ich nur die Mattscheibe machen dürfte, würde ich irgendwann blöd werden." Da Kalkofe schon seit Beginn seiner Karriere beim Frühstyxradio des privaten Radio ffn weiß, dass jeder Sender früher oder später "von seinem eigenen Erfolg in den Nacken gebissen" wird, hofft er, "dass Tele 5 noch lange auf so eine angenehme Art kreativ und finanziell wächst."

Fürs letzte Gespräch an diesem Interviewtag ist Kalkofe zu seinem Lieblingsitaliener umgezogen. Er wohnt in einem Westberliner Bildungsbürgerviertel inmitten von Arte-Guckern. Hier wird er beim Essen garantiert in Ruhe gelassen - aber erst die Arbeit, dann das Vergnügen. "Alles sehr, sehr lecker", sagt er voller Vorfreude und fordert sein Gegenüber auf, ruhig schon zu bestellen. Dass Kalkofe gern isst, sieht man ihm an. Dass er das Fernsehen mag, hört man an der Art, wie er darüber spricht. So viel Leidenschaft bringt man für eine neue Liebe auf - oder aber für eine enttäuschte, zurückgewiesene.

Fernsehzuschauer als Vampire

"Das deutsche Fernsehen behandelt intelligente Zuschauer mittlerweile wie Vampire", sagt er, "die höchstens noch nachts oder versteckt im Dunkel der Spartenkanäle Qualität geboten bekommen." Im Rückblick komme es ihm fast so vor, als ob "der bunte Volksmusikirrsinn der 90er doch irgendwie lieb gemeint gewesen" sei. "Heute meint es das Fernsehen größtenteils böse." Und schon ereifert er sich über die ARD-Kitsch-Serie Familie Dr. Kleist, "so was Popliges und Peinliches!", und Scripted-Reality-Dokus: "Da sitzen die Asis, die noch nicht mal mehr Asi richtig schreiben können, auf der Couch und freuen sich, dass ihr eigenes Leben nicht ganz so armselig ist wie das, was sie den ganzen Tag im Fernsehen sehen."

Kalkofe hat die Gabe, traurige Wahrheiten brüllend komisch zu verpacken. Jeder Gag ist eine Art trojanisches Pferd für seine Medienkritik. "Die Leute sollen lachen", sagt er, "dürfen aber auch darüber nachdenken, wenn sie wollen." Er selbst lache beim Sichten der Ausschnitte nicht viel, weil er schnell merke, "dass das, worüber ich gestern noch gelacht habe, kein Einzelfall ist, sondern System hat."

Um die Qualität zu verbessern, hat Kalkofe einen berückend einleuchtenden Vorschlag: Alle Redakteure müssten ihre Programme in voller Länge anschauen, in der Freizeit und im Familienkreis: "Das Programm würde sich schlagartig radikal ändern, weil sie sich so schämen und ihre Lebenszeit nie wieder mit so einem Scheiß verschwenden würden."

Als Stiefvater einer pubertierenden Tochter ist Kalkofe mit einer Generation konfrontiert, die Prominenz für erstrebenswert hält. "Ich musste ihr erst erklären, dass es kein Lebensziel ist, sich von allen auslachen und beschimpfen zu lassen." Der "übergroße Respekt vor den Menschen im Fernsehen" seiner Kindheit sei "Hass und Verachtung" gewichen. "Das erschrickt mich."

In dieser Hinsicht habe er Mitgefühl mit Hassfiguren wie Markus Lanz, "unabhängig davon, wie ich die persönlich finde." Dass er selbst in seinen Parodien nicht an Spott spart, ist der blinde Fleck des Oliver Kalkofe - auch wenn er sagt, dass es ihm nicht darum gehe, "Leute persönlich anzumachen", eher darum zu zeigen, "wie das Geschäft funktioniert und dass die Bösen beim Fernsehen tendenziell hinter der Kamera anzutreffen sind."

Bildungsfernsehen als Comedy

Spott um des Spotts willen ist wirklich nicht Kalkofes Interesse. Die Mattscheibe ist eher Bildungsfernsehen als Comedy. "Ich möchte den Leuten gern zeigen, wo sie verarscht werden und ihnen zurufen: Wehrt euch!" Sein Sendungsbewusstsein ist getragen von einem heiligen Ernst, gänzlich unzynisch, rührend altmodisch: "Ich habe immer noch diese Wut in mir."

Als Kalkofes Vorspeise kommt, wird es Zeit zu gehen. Vorher hat er aber noch eine Old-School-Idee: Medienkunde als Schulfach. "Wir leben in einer Mediengesellschaft, aber wie man mit der Dauerpräsenz der Medien umgeht, lernt niemand. Dabei wäre das bitter nötig." Einstweilen muss seine Mattscheibe reichen. Oliver Kalkofe wendet sich den erfreulicheren Dingen des Lebens zu. Es ist eine Tomatensuppe.

The Final Kalkdown, Tele 5, noch bis Donnerstag, täglich, 20.15 Uhr; die Jubiläumsshow The Incredible Kalk, Freitag, 20.15 Uhr.

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