Kolumne "Abspann":Ex-Experte

Jürgen Klinsmann

Jürgen Klinsmann kehrt nicht mehr zu RTL zurück.

(Foto: picture alliance/dpa)

RTL vermeidet das Klinsmann-Problem: Der Ex-Fußballer kommt nicht zurück und wird auch nicht das Länderspiel am 26. März kommentieren.

Von Harald Hordych

Es ist noch kein Jahr her, da hatte RTL einen Coup zu verkünden: Jürgen Klinsmann wird neuer Fernsehexperte bei den Länderspielen der deutschen Fußballnationalmannschaft. Da hatten sich alle gefreut, weil sein Vorgänger Jens Lehmann ein wenig spröde wirkt und so nörgelig rüberkommt mit seinen präzisen Anmerkungen und der Gute-Laune-Jürgen die ihm eigene Selbstüberschätzung mitreißend hinter seiner positiven, jungenhaften Ausstrahlung verbergen kann.

Und er brachte Charisma mit: als Spieler-Weltmeister, Initiator des Sommermärchens, Trainer der USA - wenn nicht so einer RTL zum Leuchten bringen würde, wer dann? Dass Klinsmann gerne hohle Ballaballa-Sätze raushaut, hat er auch bei RTL vom Anpfiff weg unter Beweis gestellt (dagegen sind Netzer, Kahn, Klopp oder Matthäus oder Effenberg habilitierte Fußballweise), geschenkt. Die Ergebnisse stimmten ja meistens, und Klinsmann störte kaum.

Aber nun steht am 26. März das erste Länderspiel des Jahres an, und RTL-Experte hätte sein sollen: ein gewisser Klinsmann, der durch seinen infantilen Abgang bei Hertha BSC und die Veröffentlichung seines Schmähtagebuchs gegen den Verein, den er eigentlich hochbringen wollte, seinem Ruf auf nachhaltige Weise eine neue Farbe hinzugefügt hat. Man konnte sich in den vergangenen Tagen fragen, ob sie sich bei RTL wohl auf ihren superpositiven Experten freuen? Ob die Fans denken würden: Ach, der Jürgen ist eben der Jürgen, und Berlin war früher sowieso eher Ausland? Nur: Fußballfans sind schrecklich sentimental (Die Fohlen-Elf), sie sind bis zur Gesichtslähmung treu (1860 München) und sie halten Begriffe wie "Charakter zeigen" und "Haltung beweisen" hoch. Jedenfalls hat RTL nun mitgeteilt, dass Klinsmann "auf eigenen Wunsch" nicht mehr Experte ist. Der Vertrag ist Ende 2019 ausgelaufen und war bisher nicht erneuert worden. Dabei belässt man es jetzt. Vielleicht wollte man vermeiden, dass Jürgen Klinsmann von der deutschen Fußballnationalmannschaft mehr Charakter, mehr Stil und mehr Verantwortung gefordert hätte.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: