Klima-Debatte bei "Hart aber fair":Arme deutsche Waldbesitzer

Julia Klöckner und Joachim Rukwied bei "Hart aber fair"

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes.

(Foto: WDR/Max Kohr)

Bei "Hart aber fair" machen ein Prinz und Ministerin Klöckner klar, wie sie dem Wald nach Hitze, Dürre und Schädlingsbefall helfen wollen: mit viel Geld. Den Klimawandel ernsthaft bekämpfen? Das hat noch Zeit.

TV-Kritik von Thomas Hummel

Am Ende sind die Zuschauer verwundert und vielleicht auch ein bisschen froh, dass diese Sendung "Hart aber fair" ohne Notfall über die Bühne ging. Auf die Frage, ob er nicht in die Politik gehen wolle, verrät Franz Prinz zu Salm-Salm: "Mir hamse gerade vier Stents eingesetzt. Ob das dann so schlau ist, weiß ich nicht." Ein Stent wird zumeist rund um das Herz implantiert, um verengte Blutbahnen offen zu halten. Denn falls eine verstopft, droht der Herzinfarkt. Trotzdem hat sich Franz Prinz zu Salm-Salm wirklich nicht geschont in den 70 Minuten bei Moderator Frank Plasberg.

Der Prinz ist Waldbesitzer, er steht dem Waldbesitzerverband Sachsen-Anhalt vor und hat sich für diesen Auftritt einiges vorgenommen. Nach dem heißesten Juni in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und dem Hitzesommer 2018 heißt das Thema der Sendung: "Dürre Felder, brennende Wälder: ist das noch Wetter oder schon unsere Zukunft?" Man sieht Bilder von braunen Fichten im Harz, vom Borkenkäfer befallen. Bilder vom Eichenprozessionsspinner und vom Schwammspinner, die in nie gesehenen Massen auf dem Land unterwegs sind und geschwächte Bäume befallen. Zu Salm-Salm berichtet: "Es ist eine schreckliche Situation."

Laut Bundeslandwirtschaftsministerium sind um das Jahr 2018 32,4 Millionen Kubikmeter "Kalamitätsholz" angefallen, wie kranke und beschädigte Bäume genannt werden. Das sei das viertschwerste Schadensereignis der deutschen Forstwirtschaft der vergangenen 30 Jahre. Einige Stürme richteten noch mehr Schaden an, wie etwa Kyrill 2007. Allerdings sind auch die Bäume, die 2018 überstanden haben, geschwächt worden. Da vielerorts nicht genug Regen fiel im Winter und Frühling und weil sich bei den warmen Temperaturen die Schädlinge fröhlich vermehren, ist nun die Situation im deutschen Wald katastrophal, wie zu Salm-Salm und die anwesende Ministerin Julia Klöckner erklären.

Der Waldbesitzer redet sich im Laufe der Sendung in Rage. Er schildert, dass manch einer wegen des Eichenprozessionsspinners "nur noch mit Voll-Kontaminationsschutz, also in Biochemie-Kampfanzügen in die Kulturpflege" gehe. Die Härchen der Raupe können zu Hautausschlag führen. Er berichtet von weinenden Waldbesitzern gerade in Ostdeutschland. Aber schon da ist klar, worum es geht: ums Geld. Um sehr viel Geld.

Die Leute im Osten sagten: "Was uns Erich Honecker gelassen hat, nimmt uns die Bundesrepublik wieder weg." Die Waldbesitzer müssten um Fördergelder bei den Bundesländern betteln, die Gesellschaft lasse sie schmählich im Stich. Sie sollten zwar eine Mountainbike-Strecke anlegen, sollten die Bäume pflegen, die für 14 Prozent CO₂-Kompensation im Land sorgten. Doch dann erfolgten weiter die, wie er es nennt, "Luftangriffe", also Emissionen, mit denen der Wald fertig werden müsse. "Das CO₂-Debakel ist ja menschengemacht. Und die Waldbesitzer müssen es schlucken." Zu Salm-Salm erklärt weiter, dass durch die vielen geschädigten Bäume der Preis für Holz in Mitteleuropa stark gesunken sei, so dass die Waldbauern kaum mehr die Kosten für den Kahlschlag hereinbekommen würden. Doch kriegen sie anders als Landwirte keine Subventionen durch die Europäische Union. Er blickt dabei auf seinen Nebenmann, Joachim Rukwied, der so aussieht, als würde er die ganze Sendung über leicht Grinsen.

Klöckner fordert 600 Millionen Euro, zu Salm-Salm 2,1 Milliarden

Rukwied ist Chef des Deutschen Bauernverbands und des Zusammenschlusses der europäischen Bauernverbände. Und damit Leiter einer der einflussreichsten Lobby-Gruppen, die es überhaupt gibt. 58 Milliarden Euro schüttet die EU jährlich an die Landwirte aus, davon gehen sechs Milliarden Euro nach Deutschland. Umweltverbände kritisieren seit Jahren, dass viel zu wenig davon nach Kriterien der Nachhaltigkeit, des Arten- und Klimaschutz überwiesen wird. Doch ein Geflecht an Funktionären in Agrarindustrie und Politik schützt diese Praxis, Rukwied und die Bauernverbände an vorderster Front. Moderator Plasberg muss einmal sogar einschreiten, weil er einen "Chorgesang" von CDU-Ministerin Klöckner und Funktionär Rukwied unterbindet. Ein echter Gegenspieler für diese Phalanx fehlt in der Runde.

Und so darf auch Klöckner vor allem Geld fordern. 600 Millionen Euro müssten sofort investiert werden in den deutschen Wald. Zu Salm-Salm fordert 2,1 Milliarden Euro. Dabei gibt es durchaus Kritiker, die den Waldbesitzern vorwerfen, seit Jahren Warnungen ignoriert zu haben und oft genug noch Monokulturen zu sehen sind. Zu Salm-Salm findet zudem, dass nur bewirtschafteter Wald guter Wald ist. Auch da gibt es andere Meinungen, die für mehr Naturschutzgebiete eintreten.

Einer Meinung ist sich der Prinz indes mit dem Meteorologen Sven Plöger und dem Ex-Journalisten und Autor Franz Alt, dass der Klimawandel ein Problem ist. Das man durchaus etwas ernster angehen könnte als die aktuelle Bundesregierung das tut. Kohleausstieg 2038? "Sorry Frau Klöckner, diese Zeit haben wir nicht", sagt Alt. Tatsächlich gibt Julia Klöckner darauf eine bemerkenswerte Antwort. Sie sagt: "Jede Zeit, die wir verstreichen lassen, ist ein Luxus der Gegenwart." Den spätere Generationen ausbaden müssten. Doch man müsse auch die Gesellschaft zusammenhalten, sagt sie. Und in Sachsen, wo einige Braunkohlereviere liegen, sei die Stimmung aufgeheizt. Themen wie Klimawandel oder Urban Gardening zögen dort nicht.

Mit anderen Worten: Der Klimawandel bedroht zwar die Lebensgrundlagen aller Menschen und der Natur wie aktuell die mitteleuropäischen Wälder. Aber weil 20 000 Arbeitsplätze in den deutschen Braunkohletagebauen auf dem Spiel stehen, muss man damit erst einmal klarkommen. Das ist eine ehrliche Beschreibung der aktuellen Regierungspolitik. Zumal in Sachsen, Brandenburg und Thüringen im Herbst auch noch gewählt wird.

Während Plöger und Alt einige drohende Szenarien aus aller Welt einbringen (Eisschmelze in der Arktis und im Himalaja, Klimaflüchtlinge in Afrika) gibt Moderator Plasberg fast stolz preis, dass er einen SUV fahre. Plöger sagt darauf: Wenn ein Mensch klimaneutral lebe, aufs Fliegen verzichte, auf ein Auto, auf Fleischkonsum und sogar auf Urlaub, dann blicke er irgendwann zu seinen Mitmenschen und sehe: "Die anderen, die fahren weiter, die fliegen in Urlaub, die vergnügen sich." Und irgendwann denke er sich: "Mensch, ich alleine kann die Welt wirklich nicht retten. Also mach ich auch nichts mehr." Am Ende bewege sich gar nichts. Das gleiche gelte auch auf Ebene der Staaten.

Alt plädiert für Verbote von fossilen Brennstoffen als eine Art letzte Rettung, denn die Sklaverei wurde auch nicht deshalb abgeschafft, weil die Steuer auf Sklavenhandel erhöht wurde. Verbote? Oh Gott, oh Gott, das Reizwort. Das geht nun wirklich nicht. "Politik ist nicht der Erziehungsberechtigte seiner Bürger", sagt Klöckner, als hätte Politik den Bürgern eines Landes noch nie etwas verboten. Zu Salm-Salm fürchtet Planwirtschaft, also die DDR. Und Plasberg ruft fast empört aus, dass nun eine Mehrheit für ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen sei. "Hätten Sie das je gedacht in Deutschland?" Ministerin Klöckner antwortet: "Dann brauchen sie Ihren SUV auch nicht mehr."

Um den Wald geht es längst nicht mehr. Der stirbt vermutlich weiter traurig vor sich hin. Mit ein paar Millionen Euro wird sich das schon irgendwie regeln lassen.

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