Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Schurke aus Prinzip

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Klaus Röhl provozierte und polarisierte. Nun ist der "Konkret"-Gründer und Ehemann der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof verstorben.

Von Nils Minkmar

Wer mit linken Eltern und deren Freunden aufgewachsen ist, kannte seinen Namen mit verschiedenen Qualifizierungen: Röhl das Arsch, Röhl das Schwein, Röhl der Verräter.

Der 1928 bei Danzig geborene Publizist wurde in der bundesrepublikanischen Gesellschaft auf die Planstelle des Ekels berufen und hat sie lustvoll angenommen. Als ihm vor einigen Jahren seine Töchter Anja und Bettina öffentlich sexuelle Übergriffe vorwarfen, passte es in ein Bild, das er selbst weitgehend akzeptiert hatte - wenn er den Anschuldigungen auch widersprach. Oft werden solche Vorwürfe mit dem Spruch kommentiert, das könne man sich ja gar nicht vorstellen - nicht so bei Röhl. Da konnten sich das alle gut vorstellen, auch, weil er selbst kontinuierlich an seinem zwielichtigen Image bastelte. Röhl bemühte sich zeitlebens, allen auf den Wecker zu gehen, ein analoger Troll in allen Lagern, der auf vielen ironischen Ebenen Verstecken spielte - auch, als längst niemand mehr nach ihm suchte.

"Immer eine Eiffelturmlänge über allen anderen!"

Als er 15 war, freundete er sich mit dem späteren Lyriker Peter Rühmkorf an. Die beiden Jungs versprachen sich, einen ganz bestimmten Platz in der Gesellschaft einzunehmen: "Immer eine Eiffelturmlänge über allen anderen!" Zur Not ging es eben auch in die andere Richtung, abwärts und unterirdisch.

Als junger Soldat musste Röhl das Konzentrationslager Stutthof bewachen und legte immer Zeugnis darüber ab, welche Gräueltaten an unbescholtenen Zivilisten er mitansehen musste. In den Kreisen der Ewiggestrigen, der Vertriebenen und Veteranen machte ihn das nicht unbedingt populär. Dennoch verkehrte er dort, wie auch bei den Kommunisten. Er hatte Geld von den Stasi-Hasis bekommen, um sein Magazin Konkret aufzubauen, und brach mit ihnen, als er damit reich geworden war. Geist, Glamour und Revolution erhellten sein Leben, als Ulrike Meinhof an seiner Seite war, dann schlug die Sache um.

Seine spätere Frau, die Autorin Danae Coulmas, stellte er noch Jahrzehnte später als den "Scheidungsgrund" für die Trennung von Ulrike Meinhof vor. Was dann in der Familie geschah, ist Bestandteil der Geschichte der Bundesrepublik, Stoff für Bestseller und Memoiren. Besonders gelungen ist das Buch von Bettina Roehl, "So macht Kommunismus Spaß!". Hier fand sich ihr Vater aber zu gut dargestellt und meinte, das passe nicht zu seinem öffentlichen Bild. Sie solle ihn schurkischer darstellen, damit das Buch auch glaubwürdig wirkt. Fast alle, die in dem entsprechenden Alter sind, haben eine Meinung zu dieser Familie.

Röhl wurde als Protagonist einer roten "Yellow Press" und in den Büchern von Stefan Aust bekannt, weniger als Autor. Seine Bücher und Artikel funktionieren wie ein Labyrinth aus Satire, Zeitkritik und Selbstironie, aus dem man verwirrt und mit Kopfschmerzen wieder heraustaumelt. Hier ist er voll des Lobes für Ulrike Meinhof, für seinen Landsmann Günter Grass und tarnt seine linke Gesinnung mit reaktionären Parolen, wenn es nicht umgekehrt ist. Er gestaltete sein Werk und sein Leben als Rätsel, es wird uns noch beschäftigen. Am Tag vor seinem 93. Geburtstag ist Röhl nun am 30. November verstorben.

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