Nachruf:Mensch, Paul

Nachruf: Mehr als 3000 Interviews hat Paul Sahner geführt, mit Walter Jens oder Michael Jackson etwa. Dieses Bild entstand im Sommer 2014.

Mehr als 3000 Interviews hat Paul Sahner geführt, mit Walter Jens oder Michael Jackson etwa. Dieses Bild entstand im Sommer 2014.

(Foto: Robert Haas/Bunte/Bunte Entertainment Verlag)

Der Gesellschaftsreporter Paul Sahner lebte bei der "Bunten" ein Leben, von dem viele träumen. Dabei war er bei größtem Fleiß immer nonchalant. Abschied von einem der besten Typen dieser Branche.

Von Hans Leyendecker

Ganz viele Fotos, ganz viele Geschichten.

Also, die schönste, die mit dem Dalai Lama und Richard Gere, geht so: Mit Seiner Heiligkeit und dem Hollywood-Star ist der Journalist Paul Sahner vor genau zwanzig Jahren zehn Tage lang durch die Mongolei gezogen.

Da kam Stoff zusammen, und ein Fotograf, der all die Zeit dabei war, hat eindrucksvolle Fotos gemacht. Die Geschichte wurde dann von den großen bunten Blättern in aller Welt veröffentlicht, weil das damals mit dem Dalai Lama noch ein Scoop war. "Für Paul, mit meinen Gebeten" schrieb ihm Seine Heiligkeit in ein Buch.

Genau so, wie sich Außenstehende ein luxuriöses Reporterleben vorstellen, war das auch mit Nelson Mandela und Michael Jackson. Ein Konzertveranstalter rief Sahner im Frühjahr 1999 an und fragte ihn, ob der nicht Mandela und Jackson bei einer Veranstaltung in Kapstadt treffen wolle. Sahner flog erster Klasse, ein Mann vom Boulevard war auch dabei. Bei der Ankunft im Hotel klagte der andere über Jetlag und zog sich aufs Zimmer zurück.

Sahner recherchierte flanierend und traf den Sänger Jackson, der seine beiden Kinder auf dem Arm trug, verborgen unter Kaschmirdecken. "Zeig doch mal", sagte er. Die Kinder waren weiß, und Sahner hatte seine erste große Geschichte über Jackson. Dann studierte er mit dem Sänger eine Rede ein. Jackson soll ziemlich fahrig gewesen sein. Beim Empfang saß Sahner neben ihm und Jackson sagte nur zwei Sätze: "Thank you very much, Mr. President. I love you all!" Fast alle waren begeistert.

Im Journalismus gibt es viele Typen. Einen "Doyen der Klatschindustrie" hat der Spiegel Paul Sahner genannt, als "Gottvater der Intimbeichte" bezeichnete ihn die taz. Wenn man die Würdenträger in dieser eitlen Branche so vergleicht, war Sahner einer der besten Typen. In seinem Genre als Gesellschaftsreporter, Klatschreporter und Interviewer von Prominenten war er ohnehin einsame Spitze.

Die ARD sendete im vorigen Herbst eine 45-minütige Dokumentation: Paul Sahner - Geschichten eines Promireporters. Niemand käme auf den Gedanken, über all die Bescheidwisser, die gern die Nase über den People-Mann rümpften, auch nur eine Minute zu senden. Sie gäben auch viel zu wenig her. "Schweine-Paul" haben sie ihn genannt, ohne ihn wirklich zu kennen.

"Bis hin zu frech"

Sahner stammt aus dem Münsterland. Er war Volontär beim Westfalenblatt. Seine erste Geschichte über einen Boxkampf war nur zehn Zeilen lang und er musste den Text, wie er erzählte, "elf Mal umschreiben" bis der Sportchef einverstanden war. Das gefiel ihm. Er war Lokalreporter, Polizeireporter für Bild in München und eine Art Gesellschaftsreporter für diverse bunte Blätter.

Für zwei Jahre war er Chefredakteur von Penthouse, bevor er 1994 endgültig bei dem Blatt Bunte landete. Der Verleger Hubert Burda wollte aus dem Klatschblatt ein anderes Blatt machen: "Paul sah sehr gut aus" und er "hatte natürlich auch viel Erfolg", hat Burda in der TV-Dokumentation gesagt. Sahner sei charmant, sexy und "nonchalant bis hin zu frech" gewesen. Vor allem war er fleißig und die Natur hatte es gut mit ihm gemeint.

Der 1,86 Meter große Sahner hatte eine Stimme, die sofort Vertrauen schaffte. Eine Chanson-Stimme. Vor allem die Frauen waren ganz weg, wenn er redete und dass er sich vor vielen Jahren mal für eine Frau geschlagen hat, die von einem Mann beleidigt worden war, erzählt man sich in München noch heute.

Mit Leni Riefenstahl redete er über den "Führer" und darüber, wie böse Goebbels war

Selbst die Männer konnten sich dem Brummsingsang nur schwer entziehen. Auch hatte er so melancholische Stofftieraugen. Der Produzent Wolfgang Rademann hat ihm mal das Angebot gemacht, in der Serie Traumschiff als Heiratsschwindler aufzutreten. Mit seinem Dackelblick wäre Sahner genau der Richtige gewesen. Er hat die Rolle aber abgelehnt.

2001 kam er in die Chefredaktion der Bunten, und natürlich war das damals noch eine andere Zeit. Es gab noch echte Stars, die ohne Berater etwas zu erzählen wussten, aber auch Intellektuelle wie Walter Jens oder Marcel Reich-Ranicki redeten gern mit ihm.

Mit Leni Riefenstahl hat er über den "Führer" gesprochen und darüber, wie böse Goebbels war. "Ja, der war furchtbar, ja" sagte die Riefenstahl. Das Protokoll des Gesprächs füllt siebzig Seiten und am Ende hat er gesagt: "Leni, Sie kriegen den Text vorher gefaxt. Dann werden Sie sehen, wie einfühlsam das alles war."

Mehr als 3000 Interviews hat Sahner geführt. Er hatte die wirklich geheimen Geheimnummern in der Branche in seinem Telefonbuch und sprach bevorzugt über die Liebe in allen Formen, über Alter und vor dem Tod. Aufwand scheute er nicht. Mit einem Film-Sternchen umarmte er, weil die junge Frau das so wollte, vor dem Interview einen Apfelbaum. .

Sie wollte, wie Sahner schrieb, die "Kraft des Baumes fühlen". Darüber mag man lächeln, aber seine Recherchetechniken halfen, Menschen zu öffnen, die vorher verschlossen waren. Mit irgendetwas muss man es versuchen, wenn man von Menschen etwas erfahren will.

Bundesweit bekannt machte ihn eine Geschichte über den verliebten Minister Scharping

Bundesweit bekannt gemacht hat ihn die Geschichte mit dem damaligen SPD-Verteidigungsminister Rudolf Scharping und der Gräfin Pilati, die auf Mallorca verliebt Urlaub machten und im Pool planschten. Sahner war mit einem Fotografen angereist und der machte Bilder vom Liebespaar.

Der Zeitpunkt war schwierig, weil sich die deutschen Truppen damals auf einen Einsatz im ehemaligen Jugoslawien vorbereiteten. Aus Scharping wurde "Sancho Planscha" und "Bin Baden" und die Fotostrecke im Heft, die über neun Seiten ging, war der Anfang vom Ende Scharpings in seinem Amt. Scharping schätzt Sahner dennoch.

Im vorigen Jahr ist Sahner aus der Bunte-Chefredaktion ausgestiegen und hat als Autor weiter für das Blatt gearbeitet. Vor allem Bücher wollte er schreiben. Ein Opus über den im Dezember 2014 gestorbenen Udo Jürgens, das in diesem Jahr erschien ("Merci, Udo"), ist ein Bestseller geworden. Eine Autobiografie Sahners mit dem Titel "Ich kriege sie alle!", die im Herbst erscheinen soll, ist fast fertig geworden.

Wie schön hätte alles werden können: Mit seiner Frau Martina hatte er ein Bauernhaus im Chiemgau bezogen, am Viktualienmarkt hatten beide eine Wohnung. Nachdem er seinen sechsten oder siebten Porsche abgeschafft hatte, hat er sich einen alten 190er Mercedes zugelegt, aus dem er leichter herauskam. Das Alter.

Er wirkte aber sehr gesund, spielte Tennis, war vergleichsweise schlank geblieben und schwamm gern im Wössener See ein paar Runden. Auch am Sonntag, Sahners Frau war in München, fuhr er zum See. Er kam nach Hause, setzte sich vor den Fernseher und muss dann den Herzinfarkt bekommen haben. Das ganz schnelle Ende. Er soll im Tod friedlich ausgesehen haben. Paul Sahner ist nur 70 Jahre alt geworden.

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