Kiosk:Der große Ärger

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Schlagzeilen, die Angst machen. Das scheint das Konzept der Bild Politik zu sein. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

52 dünne Seite, 2,50 Euro Kaufpreis und große Gefühlsregungen statt Ressorts: Das neue Magazin "Bild Politik" ist ein Fachblatt für halbinformierte Wutbürger. Dabei hat die Idee dahinter durchaus Potenzial.

Von Thomas Hahn

Über die Bild kann man sagen, dass sie schrecklich ist. Dass sie Schicksale zu Schlagzeilen verarbeitet, Wahrheiten zerhäckselt, Menschen bloßstellt. Man kann aber auch sagen, dass sie eine wichtige Zeugin der aufgeklärten Gesellschaft ist, weil Pressefreiheit eben auch für Blätter mit großen Buchstaben gilt. Außerdem ist Bild sich nie zu schade für kurze Texte, die auch bei Leuten ankommen, die sonst gar nichts lesen. Ergebnis des Streits? Bild brüllt zu oft die Werte eines sachlichen Journalismus nieder, aber Bild braucht's auch irgendwie. Und so ähnlich ist es bei dem neuesten Erzeugnis aus der Markenfamilie im Axel-Springer-Verlag.

"Es muss wohl erst ein Kind sterben" steht über dem Text, er fordert das Recht zur Wolfsjagd

Bild Politik, ein Nachrichtenmagazin für den schnelleren Gebrauch, erscheint seit Freitag jede Woche. Es ist vorerst nur ein Testlauf mit einer Auflage von 20000 Exemplaren im Raum Hamburg, Lübeck, Lüneburg. Aber Nikolaus Blome, Redaktionsleiter und stellvertretender Bild-Chefredakteur, ist sicher: "Das Heft wird sein Ziel erreichen." Die Idee dazu stammt von der Springer-Vorstandsreferentin Selma Stern, 32, die jetzt mit Blome die Redaktionsleitung bildet. Am Kiosk fehlte ihr offensichtlich so etwas wie ein Spiegel in flach. "Unser Leitmotiv war, ein Leserbedürfnis zu erfüllen, das so noch nicht erfüllt wird", sagt sie. Das Ergebnis ist so etwas wie eine 52-seitige Fachzeitschrift für den halbinformierten Wutbürger.

Statt nach klassischen Ressorts sind die Themen nach Befindlichkeiten geordnet: Ärger. Neugier. Freude. Wobei Ärger die beherrschende Regung ist. "Warum versagt unsere Regierung?", lautet der Titel zu den Schlagworten "Schrott-Armee", "Diesel-Wut", "Funklöcher". Im Blatt geht es gegen Grüne, Umweltaktivisten, sozialdemokratische Rentenpläne, umständliche Gutmenschen und immer wieder um "die Politik", die nichts oder zu wenig tue, gemeint ist die Regierung von Angela Merkel. Im Ressort "Neugier" kann man erfahren, dass Sozialverbände das Phänomen Altersarmut überbewerten. Und die "Freude"-Seiten spiegeln auch nur das, was vom Ärger übrigblieb. Das Heft ist wohl überparteilich gedacht. Die erste Ausgabe aber liest sich eher wie die Vereinszeitschrift vom rechten CDU-Flügel, der potentiellen AfD-Wählern gefallen will. Auf den 52 Seiten finden sich nur drei Berichte, bei denen Autoren und Bild-Weltbild hinter dem Thema zurücktreten. Ansonsten: Analysen und Kommentare, aus denen vor allem die um Sicherheit und Fortschritt bangende Autonation spricht. In den Kommentaren stehen große Ausrufezeichen, einzelne spielen mit Ängsten. "Es muss wohl erst ein Kind sterben" steht über dem Text, der das Recht zur Jagd auf Wölfe fordert.

Viele Autoren im Heft wirken selbst wütend, und das ist schade. Wut ist kein Werkzeug des journalistischen Handwerks. Welterklärer müssen nüchtern und offen sein, damit sie die Wütenden zum Kern des Ärgers führen können. Aber vielleicht findet die Redaktion ja noch den klugen Mittelweg zwischen Gefühl und Vernunft. Schön wäre es. Denn ein Magazin, das Politikverdrossene in die politische Debatte zurückholt, wäre ein echter Gewinn.

© SZ vom 09.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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