Kino wird Serie:Die Streckfolter

Serien-Version von "From Dusk Till Dawn"

Eine Szene aus der Serien-Version von "From Dusk Till Dawn" des Senders El Rey.

(Foto: Miramax)

Wenn das mal gut geht: Hollywood baut einige seiner Kino-Klassiker nun zu aufwendig produzierten TV-Serien aus - von "From Dusk Till Dawn" über "Rosemary's Baby" bis "Fargo".

Von David Steinitz

Warum Vampire sich ausgerechnet eine Bar als Blutreservoir aussuchen, in der nur verschwitzte, übergewichtige Trucker verkehren, irgendwo im staubigen Grenzland zwischen Mexiko und den USA, wurde in der Horrorkomödie "From Dusk Till Dawn" aus dem Jahr 1996 offengelassen. Stattdessen erfreuten sich Drehbuchautor Quentin Tarantino und Regisseur Robert Rodriguez im sorgenlosen Neunzigerjahre-Hedonismus lieber an den zahlreichen Möglichkeiten, die Blutsauger möglichst triefend, spritzend und politisch unkorrekt in die Hölle zu schicken - kurz bevor in den folgenden Nullerjahren dann Vampir wie Mensch zu keimfrei konservativen Genderwesen wurden.

Dieser Film, der blitzschnell zum Kult wurde, erlöste einst George Clooney aus seiner Rolle als TV-Arzt in "Emergency Room" und bewies - irgendwo zwischen Fußfetisch-Szenen und Weihwasser-Nahkämpfen -, dass Tarantino und Rodriguez zwar vollkommen der Hollywood-Hybris erlegen, aber genau deshalb die Könige der Stunde waren.

Rodriguez hat die "Dawn"-Story bis heute nicht losgelassen, vor allem deren mögliche Hintergrundgeschichte um die Vampir-Zweigniederlassung in der Wüste. Deshalb hat er seinen Film jetzt, mit dem Segen seines Kumpels Quentin, zu einer zunächst zehnteiligen Serie ausgebaut. Die erste Folge hatte in dieser Woche ihre US-Premiere auf Rodriguez' neuem Fernsehsender El Rey, für den er, neben viel Reality-TV, künftig gleich mehrere Serien-Eigenproduktionen pro Jahr stemmen will. Der Starter ist auch als Gratisdownload im amerikanischen iTunes-Store erhältlich. Das "Dawn"-Projekt ist unter den aktuellen US-Serien deshalb so spannend, weil es Vorreiter einer Reihe von Serien ist, die demnächst anlaufen und die darauf vertrauen, dass bereits hundertfach zitierte, imitierte und parodierte Kino-Kultklassiker zum ausbaufähigen Serienstoff taugen.

Nach "From Dusk Till Dawn" - wo Rodriguez für das komplette Konzept verantwortlich ist und die ersten vier Folgen selbst inszeniert hat - folgt Mitte April beim Sender FX eine Serien-Adaption der Schneegroteske "Fargo" von den Coen-Brüdern, beide sind als Autoren und Produzenten beteiligt. NBC zeigt im Mai eine Serien-Neuverfilmung des Bestsellers "Rosemary's Baby", diesmal allerdings ohne Beteiligung von Roman Polanski, der das Buch 1968 fürs Kino adaptiert hatte. Und MTV entwickelt eine Serie nach der erfolgreichen High School-Horror-Reihe "Scream". Die Produzenten möchten dazu gerne Wes Craven verpflichten, der bereits die vier "Scream"-Kinofilme gedreht hat.

Diese Remake-Häufung in serieller Form könnte im Lauf der nächsten Monate die Frage beantworten, ob und wie sich Kino und TV-/Internet-Serie künstlerisch versöhnen lassen, nachdem sie jahrelang gegeneinander ausgespielt wurden. Vielen Zuschauern gilt es mittlerweile als festes Mantra, dass Serien das Kino als Speerspitze des filmischen Erzählens abgelöst haben. Dabei wird gerne vergessen, dass diese Serien ihren Ursprung vor allem im "Writer's Room" haben, wo Dutzende Autoren an Konzepten und Dialogen feilen. Nicht die Regisseure, diese Autoren sind die Basis des seit anderthalb Jahrzehnten währenden Serien-Hypes, angefangen mit den "Sopranos" im Jahr 1999.

Gerade die amerikanischen Serien sind deshalb viel mehr von literarisch-dramaturgischen Erzählkonzepten geprägt als von denen des bildlichen Erzählens. Das schmälert ihre Qualität nicht im Geringsten, hat aber im Kern mehr mit Aristoteles' Dramentheorie zu tun als mit dem Medium Film oder mit der Institution Kino. Und die Frage, ob sich beides zusammenführen lässt, muss man zumindest nach der Pilotfolge von "From Dusk Till Dawn" leider mit einem klaren Nein beantworten.

Rodriguez preist seine Serie als großen Roman an, der endlich die komplette Geschichte des Originalfilms erzähle, den er jetzt mehr als kleine Bilderskizze versteht. Weshalb er in der ersten Folge den Anfang des Films, in dem die beiden Hauptfiguren - das ungleiche Gangster-Brüderpaar Gecko - in einer Wüstentankstelle wüten, einfach noch mal nacherzählt. Statt der neuneinhalb Minuten, die diese Exposition im Film dauert, gibt es die Szene jetzt als fünfundvierzigminütige Langversion: Detailreicher, und, statt mit Clooney und Tarantino, jetzt mit etwas zu blassen, etwas zu hübschen No-Name-TV-Gesichtern, welche die harten Sprüche von damals wieder aufsagen: "Everybody be cool - you, be cool!"

So soll es laut Rodriguez bis zur Hälfte der Staffel weitergehen. Das Problem dabei: Die typisch pointierten Tarantino-Szenen, die den Charme des Originals ja ausmachen und die stets nur streng komprimiert funktionieren, werden vollkommen verwässert.

Wucht eher in zwei als in zwanzig Stunden

Was in knappen Dialogen und noch knapperen Gesten angedeutet wurde, wird nun auserzählt und ausgespielt. Womit Rodriguez leider weder der verdichteten, zur Sublimierung neigenden Erzählweise des Kinos gerecht wird, noch dem dramaturgischen Überraschungspotenzial, das man aus den aktuellen US-Topserien gewohnt ist - denn die Story ist ja längst bekannt.

Das ist ein Problem, das auch für "Scream" und "Rosemary's Baby" nicht ganz einfach zu lösen sein wird, weil beide längst ein fester Bestandteil der Popkultur geworden sind. Ganz abgesehen davon, dass trotz aller Zuschauer-Sehnsucht nach dem großen Epos, den viele US-Serien so gekonnt bedienen, manche Geschichten weiterhin in der kurzen, prägnanten Form besser aufgehoben sind - gerade Horrorgeschichten können ihre ganze Wucht eher in zwei als in zwanzig Stunden entfalten.

Um zumindest das Problem der Wiederholung zu vermeiden, haben die Coen-Brüder deshalb für ihre "Fargo"-Serie beschlossen, mit gänzlich neuen Protagonisten und Geschichten in den schrägen, verschneiten Kosmos ihres Klassikers zurückzukehren. Die Hauptrollen spielen Billy Bob Thornton und Martin Freeman. In zehn Clips kann man auf der Website von NBC bereits sehen, wohin die Reise ungefähr gehen soll - auf gewohnt kauziges Coen-Terrain: Freeman zieht sich zum Nachdenken auf die Waschmaschine im Keller zurück und lässt sich ordentlich durchwackeln; Thornton legt im Diner das Steakmesser verächtlich zur Seite und holt in aller Ruhe einen Krummsäbel aus der Tasche. Diese schrullige Trödelei, die den typischen Coen-Humor ausmacht, könnte auf langer Strecke zumindest besser funktionieren als Rodriguez' Splatter-Welt.

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