Kieler "Tatort":Und dann wird Borowski auch noch zur Comicfigur

Tatort: Borowski und das dunkle Netz; Tatort ARD Kiel Borowski und das dunkle Netz

Nanu, ein Lüftungsschacht! Manche Szenen im Kieler Tatort sind reiner Slapstick.

(Foto: NDR/Christine Schroeder)

Slapstick, Egoshooter, Kindernachrichten: Im Kieler "Tatort" über Cyberkriminalität probieren die Macher viel aus. Völlig überzogen, aber herrlich anzusehen.

Kolumne von Carolin Gasteiger

Die Erkenntnis:

Wenn es im Tatort um Cyberkriminalität geht, will man gleich die Augen verdrehen. Zu oft schon wurden Hacker in platten Klischees inszeniert, wurde "dieses Internet" erklärt, als wäre es eine vor Kurzem neu entdeckte Spezies. Auch "Borowski und das dunkle Netz" verkommt an manchen Stellen zum Volkshochschulkurs. Aber als Animationsfilm. Überhaupt wird in diesem Tatort vieles ausprobiert, was den Kieler Fall sehr sehenswert macht.

Darum geht's:

Mit einer Wolfsmaske auf dem Kopf und Teddy am Rucksack erschießt Hagen Melzer den Leiter der LKA-Spezialabteilung Cybercrime im Fitnessstudio. Ein Auftragsmord, der Melzer im Darknet erteilt wurde. Der Auftraggeber könnte aus den eigenen Reihen stammen. Kommissar Borowski muss jedoch erst einmal lernen, was das Darknet genau sein soll. Und Sarah Brandt, die als Ex-Hackerin sonst mit ihren Computerkenntnissen überzeugt, muss dieses Mal richtig viel rennen.

Bezeichnender Dialog:

Attentäter Melzer liegt bewusstlos und von der Hotelangestellten Rosi ausgezogen auf seinem Hotelbett. Als Rosi, selbst nackt, auf ihm liegt und ihn küsst, öffnet er langsam die Augen.

Melzer: "Du schmeckst nach Schokolade."

Rosi: "Und du schmeckst nach Blut."

Melzer: "Hast du Schokolade gegessen?"

Rosi: "Vielleicht."

Melzer: "Hiervon?" (zeigt auf die Pralinenschachtel auf dem Nachttisch)

Rosi: "Nein."

Melzer: "Geht's Dir gut?"

Rosi: "Ja."

Melzer: "Ja?"

Rosi: "Es könnte gar nicht besser gehen."

Melzer: "Du blutest."

Rosi: "Wo? (aus Rosis Nase tropft Blut) Oh."

Melzer: "Leg dich hin. Du musst dich nur ausruhen."

Rosi: "Und dann geht's wieder besser?"

Melzer: "Ja."

Langweilig wird es in diesm Tatort nicht

Top:

Manche Szenen in "Borowski und das dunkle Netz" sind reiner Slapstick, etwa wenn Borowski Sarah Brandt an den Füßen festhält und diese dann in einen Lüftungsschacht fällt. Melzers Amoklauf durchs Fitnessstudio erlebt man in Egoshooter-Perspektive und Borowski wird irgendwann sogar zur Comicfigur. Die Szene könnte problemlos in den Kindernachrichten laufen. Langweilig wird es in diesem Tatort jedenfalls nicht.

Flop:

Wie inszeniert man einen Computerexperten überzeugend? Das dürfte für Filmemacher, vor allem im Tatort, gerade die größte Herausforderung sein. "Es sind Polizisten, keine Nerds. Das war uns wichtig", sagt der LKA-Chef an einer Stelle über die beiden Angestellten aus der Abteilung Cybercrime. Aber warum müssen dann beide Brillen tragen, der eine stottert und der andere trägt Turnschuhe mit Rollen? Da wirkt selbst der Teddy am Rucksack des Attentäters überzeugender.

Beste Auftritte:

Maximilian Brauer tapst als Hagen Melzer wie ein tollpatschiger Junge durch diesen Fall. Seinen Auftragsmord vollzieht er noch zielstrebig und ohne größere Pannen, im Hotelzimmer hackt er sich später jedoch aus Versehen einen Finger ab. Und diese Unschuldsmiene! Ein Attentäter, den man gern in den Arm nehmen würde.

Beste Szene:

Sarah Brandt täuscht einen epileptischen Anfall vor, um Attentäter Melzer aus der Reserve zu locken. In der Frauenumkleidekabine einer Turnhalle liegt sie zuckend und nach Luft japsend am Boden, während Melzer eine der Teammitglieder in seiner Gewalt hat. Als Melzer über Brandt kniet, schlägt sie ihm die Waffe aus der Hand, beide rangeln miteinander. Nur die Umstehenden tun nichts. Bis plötzlich eine der Sportlerinnen sich mit einem Kampfschrei auf Melzer stürzt und alle anderen es ihr gleichtun, wie eine hungrige Meute. Und selbst diese an sich bedrohliche Szene wirkt in ihrer Übertriebenheit schon wieder amüsant.

Schlusspointe:

Brandt hat im Haus von Staatsanwalt Austerlitz einen Zettel an sich genommen, auf dem das Passwort für eine Bitcoin-Brieftasche steht, also der Zugang zu viel virtuellem Geld. Dieser Zettel fällt aus der Tasche, als Borowski seine schlafende Kollegin im Auto zudecken will. Borowski sieht den Zettel, führt ihn zum Mund und wickelt seinen Kaugummi darin ein. Fenster auf - und raus mit dem Zeug. Was für die einen der Schlüssel zu einer neuen Zukunft sein mag, ist für die anderen nicht mehr als Kaugummipapier.

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