Eine Frau tänzelt in Stöckelschuhen auf die Bühne. Ein glitzerndes Tuch auf dem Kopf, vor dem Körper eine Kreuzung aus einer türkischen und einer deutschen Nationalflagge. "Ja, guten Abänd, liebe Zuschauer, hier bei Döner TV zeig isch Eusch heute, was ist Integration", sagt die Frau und lässt die Fahne fallen. Ein türkisfarbenes Mini-Dirndl kommt zum Vorschein. "Das ist Integration!" ruft sie in jenem Akzent, der unter Sprachwissenschaftlern als "Kiezdeutsch" anerkannt ist, und wirbt für den fiktiven Sender "Döner TV".
Erfahrungen in der Medienbranche habe sie bereits gesammelt - als Putzfrau beim ZDF. Ihr Bruder "Ahmed" arbeite in einer "geschlossenen Sendeanstalt", da habe er eine "Festanstellung auf zehn Jahre Bewährung".
So geht es weiter - acht Minuten lang. Die Einlage der falschen Türkin ist Teil der Karnevalssendung Frankfurt Helau, aufgezeichnet im Sendesaal des Hessischen Rundfunks, ausgestrahlt am 2. Februar in der ARD, um 20:15 Uhr. Eine Woche später hat es die Prunksitzung in die türkischen Medien geschafft: Die Boulevardzeitung Hürriyet empört sich nun in ihrer europäischen Ausgabe über herabwürdigende Türken-Witze. Und auch in Deutschland gibt es Ärger.
Von "Rassismus zur besten Sendezeit" spricht der hessische Landesausländerbeirat. Der Vorsitzende der Agah (Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen), Corrado Di Benedetto, fordert eine öffentliche Entschuldigung vom Hessischen Rundfunk.
Er sieht in dem Beitrag eine "gezielte Attacke gegen die türkischen Menschen in Deutschland". Ihm sei es "unverständlich, dass die Verantwortlichen des HR bei der Prüfung nicht eingeschritten sind, gerade vor dem Hintergrund der sogenannten Döner-Morde", sagt Di Benedetto auf Anfrage von Süddeutsche.de.
Der Hessische Rundfunk reagiert mit einer schriftlichen Antwort auf die Vorwürfe. Darin heißt es, der Sender habe es "selbstverständlich" nicht beabsichtigt, "Mitbürger mit türkischem Migrationshintergrund zu verunglimpfen". Klischees gehörten jedoch zur "sprichwörtlichen Narrenfreiheit", die eine Fastnachtssendung wie Frankfurt Helau genieße.
Grundsätzlich gehöre es zur Aufgabe des Senders, "gesellschaftliche Integration und ein gutes Miteinander von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen in Hessen zu fördern." Wie das mit Wortspielen wie "Klebstoff heißt auf Türkisch Ühü" oder "Die Burka ist mir schleierhaft" oder "Baby-Windel heißt auf Türkisch Gülle-Hülle" vereinbar ist, das erklärt die Pressemitteilung nicht.
Der Text der umstrittenen Showeinlage stammt aus der Feder von Patricia Lowin, einer Zahnärztin aus einer Kleinstadt nahe Kaiserslautern, die die Figur der "Ayse" auch selbst verkörpert. Lowin hat die Einlage "Döner TV" nach eigener Aussage bereits im vergangenen Jahr 23 Mal aufgeführt.
Sie sehe darin "keine Attacke", sagt die Zahnärztin auf SZ-Anfrage. "Wir machen Fastnacht, das hat mit Humor zu tun." Als Reaktion auf ihren Auftritt habe sie "99 Prozent positive Kritik, ein Prozent negative Kritik" erfahren. "Man kann nie alle erfreuen", sagt Lowin, die den Inhalt ihrer Nummer so zusammenfasst: "Es geht um eine integrierte Türkin. Die Frau erzählt über Schwierigkeiten der Integration. Jede Kultur hat Eigenheiten und die muss man verstehen."
Wie man "Döner TV" auch verstehen kann, zeigt die Diskussion bei Youtube, wo der Auftritt Lowins in Frankfurt dokumentiert ist. "Dieser Humor ist zwar nicht meine Welt, find ich etwas dumpf, aber es ist absolut SUPER, das es noch möglich ist, Witze über die türkischen 'Herrenmenschen' zu machen", schreibt ein User. Ein anderer schreibt: "Der einzige Grund, warum ihr 'ne türkische Flagge in die Hand nehmt, ist um euch darüber lustig zu machen. Ihr wollt, dass wir uns anpassen und integrieren? Könnt ihr lange drauf warten."
Schon terminiert ist hingegen der nächste Auftritt der "integrierten Türkin": Der HR wiederholt die Sendung Frankfurt Helau am Fastnachtssonntag (19. Februar) - "Ayse" mit dem Mini-Dirndl ist wieder mit dabei.
Mit Material von AFP