Kaum eine Talkshow hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach ausgelassen, könnte sein, dass er häufiger bei Lanz war, als Lanz selbst, bei der "Heute Show" wurde er mit seinem trockenen Humor schon fast als Ensemblemitglied gehandelt. Und nun, anders kann man es sich eigentlich nicht erklären, die nächste Pointe (es ist noch nicht die letzte): Lauterbach hat ein Buch geschrieben, über die Bedeutung der Wissenschaft für die Politik, gespickt mit Lebenserinnerungen, und die gibt es nun als Vorabauszug exklusiv bei Bild. Ausgerechnet bei dem Blatt, das Lauterbach gerade noch zum Mitglied eines "Corona-Panik-Chors" gekürt hat.
Erst am Wochenende hatte der Gesundheitsminister der Boulevardzeitung vorgeworfen, eine Kampagne gegen ihn zu betreiben. Die Bild hatte getitelt: "Lauterbach: Intensivstationen waren nie überlastet!" Tatsächlich hatte er das so nie gesagt. Im Gegenteil: In vielen Regionen waren die Stationen während der Delta-Welle so voll, dass Patienten verlegt werden mussten, nur nicht überall und gleichzeitig in Deutschland. "Die Bild-Zeitung weiß das und macht daraus: Es gab nie eine Bedrohung. Das ist eine manipulative Falschmeldung", sagte der Minister in der taz.
"Da darf es auch etwas kitschig klingen"
Sprach's, und als wäre nichts gewesen, kann man nun bei der Bild studieren, wie der neulich noch als "Angst-Minister" und "Licht-Ausmacher am Ende des Tunnels" bezeichnete Lauterbach sich einst mit 13 Jahren auf den Weg machte und beschloss, Mediziner zu werden. Vorangegangen waren, so erzählt er in dem Vorabdruck aus seinem Buch "Bevor es zu spät ist", eine falsche Behandlung und die Erfahrung als Kassenpatient in einem Zwei-Klassen-Gesundheitssystem. Früh habe er daher gewusst, "dass ich mein Leben der Medizin widmen wollte. Das hatte ich mir als Dreizehnjähriger genau mit diesen Worten zurechtgelegt, da darf es auch etwas kitschig klingen."
"Wir freuen uns, dass Karl Lauterbach seine Lebenserinnerungen exklusiv bei BILD gedruckt sehen möchte", teilt Bild mit - zum Unmut mancher Leser, die in den sozialen Netzwerken ankündigten, ihr Abo kündigen zu wollen.
Auch manche SPD-Politiker gehen längst auf Abstand zur Bild. Kevin Kühnert etwa gibt Springers Boulevardblatt aus Prinzip keine Interviews. "Ich werde erst mit Bild reden, wenn sich Grundlegendes in der Redaktion ändert. Das hat mit eigenen schmerzhaften Erfahrungen zu tun", hatte er der taz noch kurz vor seiner Wahl zum Generalsekretär gesagt. Und Lauterbach? Sagte am Wochenende zu seiner Präsenz bei Bild recht trocken: Die Wahrheit verteidigte sich nun einmal nicht von selbst.
Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass sein Buchverlag durch die Homestory-Inhalte aus dem Professorenleben die Masse der Leserschaft erreichen will, Bild verkauft sich trotz einbrechender Auflage noch immer fast eine Million mal täglich. Am lautesten lachen werden deshalb über diese Pointe am Ende die Marketing-Strategen von Bild und Lauterbachs Verlag.