Kampf um die "Basler Zeitung":Wie der Käufer neben Blocher wirklich tickt

Die Geschichte, die sich derzeit um die "Basler Zeitung" entspinnt, könnte aus einem Krimi stammen: Es gibt Strohmänner, Politiker, einen Multimilliardär, Bürgerprotest und großes Aufbegehren. Die Liste der Aktionäre und Verantwortlichen um den Käufer Tito Tettamanti liest sich wie ein Gegenentwurf zum linksliberalen Bürgertum am Rhein. Mittendrin: der Schweizer Rechtspopulist Christoph Blocher.

Hans Leyendecker und Claudia Tieschky

Tito Tettamanti ist ein beneidenswerter Mann. Der Tessiner Millionär beschäftigt sich vorzugsweise nur noch mit Dingen, die ihm wichtig sind - all das Andere, was da draußen für Aufregung sorgt, nimmt er kaum wahr. Sein Schreibtisch hoch über dem Luganer See ist ein enges Nest aus Büchern, Zeitungen und Papieren. Internet braucht er nicht, auch sein Telefon ist aus einer anderen Zeit. Manchmal meldet sich der 81-Jährige und teilt der Welt mit, dass nach gründlichem Studium die "heutige EU eine Fehlkonstruktion ist. Schlimmer: eine gefährliche Konstruktion."

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Als der Clan des Rechtspopulisten Christoph Blocher (im Bild) offen um die Macht bei der Basler Zeitung  (Baz) rang, präsentierte Mulitmillionär Tettamanti eine andere Lösung: Er will mit Freunden und Gesinnungsfreunden selbst das Ruder ergreifen.

(Foto: dpa)

Doch was der Finanzinvestor am Mittwochnachmittag in einer kurzfristig angesetzten "Medienorientierung" in Zürich bekannt gab, war schon erstaunlich. Kaum war gemeldet worden, dass der Clan des Rechtspopulisten Christoph Blocher auch offen die Macht an der Basler Zeitung (Baz) übernommen habe, was zur Ankündigung von Demonstrationen führte, da präsentierte Tettamanti eine andere Lösung. Gemeinsam mit Freunden und Gesinnungsfreunden ergreift jetzt er das Ruder.

Weder Blocher noch dessen Tochter Rahel übernehmen dabei eine Funktion. Er und Blocher seien zum Schluss gekommen, dass es besser sei, wenn Blocher auch künftig nicht mehr als Aktionär der Zeitung auftrete, sagte Tettamanti. Überhaupt werde Blocher persönlich bei der Baz keine Rolle mehr, etwa als Berater, übernehmen, präzisiert Tettamanti auf SZ-Anfrage. Er hat 2010 schon einmal die Baz besessen und damals Erfahrungen gemacht, mit Blocher und den Baslern.

Es sind keine guten gewesen, und womöglich war das für den Selfmademan aus Lugano, der seine Weltanschauung aus vielen Büchern zusammensetzt, auch gänzlich neu - dass er den Rückzug antreten musste aus Gründen, die nichts mit Geld oder Verträgen zu tun haben.

Vielmehr war es der Druck, zu dem die selbstbewusste Basler Bürgergesellschaft fähig ist, weil für sie die Zeitung ihrer Stadt nicht ein Betrieb wie jeder andere ist - sondern gewissermaßen ein Teil des Gemeinwesens.

Im schwerreichen Basel, in dem Industrielle als großzügige Mäzene auftreten, herrscht ein liberaler bis linksliberaler Geist. Als die NZZ vor einem Jahr herausfand, dass Investor Tettamanti den SVP-Strategen Blocher als Berater zur Sanierung der Zeitung engagiert hatte, wurden die Proteste so massiv, dass der Tessiner die Baz zwei Wochen später verkaufte. 2010 ist Tettamanti an Basel gescheitert.

Indirekt führte das sogar zur Gründung einer neuen Zeitung: Seit kurzem gibt es die Tages-Woche, die im Internet und nur freitags auf Papier erscheint. Finanziert sie von der Baslerin Beatrice Oeri, einer Erbin des Pharmakonzerns Roche. Die Neuheit ist vor allem Ausdruck des Misstrauens gegen die Baz mit ihrem neuen Chefredakteur Markus Somm, der als Gefolgsmann Blochers gilt. Zudem hielt sich stets das Gerücht, mit dem die Basler nicht falsch lagen, wie sich nun zeigte: Neubesitzer Moritz Suter sei ein Strohmann, finanziert von den Blochers. Doch Suter und seine Geldgeber überwarfen sich.

Tettamanti, der Mann aus dem Ticino, ist ein Spezialist für lukrative Geschäfte und hat sich im Lauf der Jahre an weit über tausend Firmen in aller Welt beteiligt. Mit geschickten Unternehmensbeteiligungen hat er sich ein dreistelliges Millionenvermögen erwirtschaftet. Seine Investitionsgesellschaft Sterling Strategic Value Limited hat ihren Sitz auf Tortola, der größten der britischen Jungferninseln. Die Übernahme der Basler Zeitung wird über die Medien Vielfalt Holding mit Sitz in Zug abgewickelt, an der Tettamanti mit 18,8 Prozent Kapitalanleihen hat und 53,6 Prozent der Stimmrechte.

Aber warum? Hat Blocher ihn gebeten, wieder einzusteigen? "Ja", antwortet Tettamanti auf Anfrage schlicht und schriftlich. Noch im Frühjahr hatte er im Gespräch mit der SZ ziemlich genervt erklärt, wenn er "alles vorher gewusst hätte, hätte ich die Baz gar nicht gekauft". Trotzdem hat er es ein zweites Mal getan.

Der "überzeugter Kapitalist" (Tettamanti über Tettamanti), der in chinesische Elektrizitätswerke investiert und mit dem Kauf und Verkauf von Hotels und Einkaufszentren in Kanada, Australien und Hongkong viel Geld gemacht hat, glaubt noch an die Zeitung - auch wenn sie, wie die Baz, ganz viele und schreckliche ökonomische Probleme hat: Die Zeitung ist tot. Es lebe die Zeitung!

Wie ist die "Weltwoche" involviert?

Dass die alte Firmenstruktur nun zerschlagen wird, ist wahrscheinlich. Das Problem der Baz, die als Monopol-Tageszeitung einer vermögenden Region eigentlich sorgenfrei sein müsste, ist vor allem die offenbar nicht ausgelastete Druckerei mit knapp 1000 Arbeitsplätzen. Auch dazu hat Tettamanti eine Einstellung: "Eine Zeitung braucht eine Druckerei so wenig wie eine Fluglinie einen Flughafen", sagte er der SZ im Frühjahr. Das sind Worte, um die auch der neue Verwaltungsratsvorsitzender der Holding und Schweizer FDP-Abgeordnete Filippo Leutenegger nicht herumkommen wird, der die Sanierung der Zeitung vorantreiben soll.

Swiss minister of justice Blocher talks to media during a news conference in Bern

Immer wieder bringt der SVP-Politiker Christoph Blocher die Schweiz in Aufruhr. Kritiker werfen ihm Demagogik, Populismus und Fremdenfeindlichkeit vor.

(Foto: REUTERS)

Für Verluste bei der Restrukturierung auf industrieller Seite der MVH - sprich: mögliche Abschreibungen bei der Trennung von der Druckerei - garantiert wiederum Christoph Blocher. Auch das ist ein interessanter Teil des offenbar seit langem eingefädelten Deals. Auf SZ-Anfrage, ob die Druckerei jetzt verkauft werde, erklärt Tettamanti, sie werde "restrukturiert, aber wie, das hängt von den Vorschlägen von Herrn Leutenegger ab."

Die MVH will jedoch viel mehr sein, als ein neuer, vielleicht ein letzter großer Business-Coup des Kaufmanns aus Lugano. Ziel sei, wurde in Zürich verkündet, der "Erhalt eines intelligenten und vielfältigen Meinungsspektrums in der Schweiz". Dank Beatrice Oeri habe die Basler Zeitung nun nicht mehr ein Monopol in der Stadt, erklärte Tettamanti, das erlaube der Baz "profilierter zu sein". In der Erklärung der MVH steht, man wolle die "liberale, demokratische und föderalistische Tradition der Schweiz journalistisch vertiefen und sich dafür an nationalen und internationalen publizistischen Institutionen beteiligen, hieß es. Aber was heißt das?

Wenn man sich die Liste der Aktionäre und Verantwortlichen der MVH ansieht, geht man durch eine ganz besondere Schweizer Galerie: Der Anwalt Giangiorgio Spiess aus Lugano, früher Mitglied im Exekutivkommittee der Uefa, ist dabei, mit dem der promovierte Jurist Tettamanti 1959 seine erste Kanzlei gründete. Marina Masoni, FDP-Politikerin aus bekanntem Tessiner Clan; Adriana Ospel-Bodmer, die Frau des früheren UBS-Präsidenten. Ist diese Gesellschaft der Gegenentwurf zum linksliberalen Bürgertum am Rhein?

Mit Tettamantis Geschäften jedenfalls hat es auch zu tun, dass die Weltwoche heute so ist, wie sie ist: Der Financier hat bei einem früheren Pressedeal das einst angesehene Magazin aus der Jean Frey AG (die er an Axel Springer weitergab) herausgelöst und an den Journalisten Roger Köppel verkauft. Der inszeniert sich seither dort als Empörungsschweizer gegen fast alles. Tettamanti aber schätzt den Krachmacher Köppel. Spielen Köppel und die Weltwoche in den Beteiligungsplänen um die neue MVH eine Rolle? "Nein", teilt Tettamanti mit. Wenn man noch wissen will, ob er auf kurze oder mittlere Sicht einen Käufer für die Baz suche, erklärt er: "Das Problem stellt sich heute absolut nicht." Pläne für die Zeitung kämen nun nicht von ihm, Tettamanti, sondern von der MVH, "die hofft, dass die Baz eine profilierte, nicht ,political correct' und erfolgreiche Zeitung mit erstklassigen Kommentaren wird".

Er liebe "Streit und Debatte", sagt Tettamanti gern und dafür müsse die Zeitung sorgen. Er ist rechtsbürgerlich und kann "politisch korrekte Leute nicht ausstehen". Diese seien "konform und überheblich". Er ist dabei ein Mann der regulierten Leidenschaft, ein unnaiver Romatiker. Natürlich ist er auch eitel. Er wäre der letzte, der das bestritte. Finanzielle Torheiten aber sind von ihm am wenigsten zu erwarten. Deshalb wird er vermutlich früher oder später in seinem Büro mit Ausblick auf den See Pläne einen profitablen Verkauf der Baz schmieden. An wen? "Der Gegner von heute kann der Alliierte von morgen sein" - auch das ist ein Satz aus dem Schatzkästlein von Tito Tettamanti.

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