Die letzten Sitzungswochen des Bundestags brechen an, und der Gesetzentwurf des Bundesjustizministers zu den Kameras im Gerichtssaal war eigentlich schon auf der Zielgerade. Dann aber geriet das Vorhaben ins Stocken. Elisabeth Winkelmeier-Becker, für die Union im Rechtsausschuss, meldete Gesprächsbedarf an. Offenbar hatte die anhaltende Kritik der Justiz Früchte getragen. An diesem Donnerstag haben sich die Beteiligten nun geeinigt.
Die wichtigste Änderung betrifft einen Nebenpunkt, nämlich den Plan, Aufnahmen historisch bedeutsamer Prozesse zu erlauben, die für die Nachwelt festgehalten werden sollen. Die Union war sich nicht mehr so ganz sicher, ob sie das wirklich für eine gute Idee hält. Der Münchner NSU-Prozess wäre so ein historisch bedeutsames Verfahren. Würde - so fragt sich Winkelmeier-Becker - Beate Zschäpe, wenn die Kameras liefen, dann womöglich Grußadressen für spätere Generationen von Rechtsextremisten formulieren? Der Kompromiss lautet nun: Es sollen keine Bilder erlaubt sein, sondern nur Tonaufnahmen.
Umstritten war lange Zeit auch der Kern des Vorhabens. Der Entwurf will die Übertragung von Urteilsverkündungen der fünf Bundesgerichte erlauben - Verhandlungen bleiben weiterhin tabu. Vor allem BGH-Präsidentin Bettina Limperg, deren Gericht am stärksten von den Plänen betroffen wäre, hatte sich entschieden gegen den Entwurf gewandt. Dann signalisierte sie Kompromissbereitschaft - allerdings unter einer gewichtigen Bedingung. Wenn die Aufnahmen schon sein müssten, dann mache man sie doch am besten selbst. Sie plädierte für ein Gerichts-TV mit justizeigenen Kameras. Laut CDU ist dies etwa in England, Spanien, Frankreich und der Schweiz Praxis.
Ein eigenes Justiz-TV wäre zwar möglich, ist aber nicht in Sicht
Solche Urteilsübertragungen in eigener Regie sind nach der Fassung des Gesetzesentwurfs möglich, auf den sich die Fraktionen nun verständigt haben - wenn man einmal von der Rubrik "Kosten" absieht, wo der Mehraufwand mit nur 4385 Euro jährlich veranschlagt wird: Den Aufwand für eine eigene Infrastruktur sieht man beim BGH bei einer halben Million.
Deshalb dürfte ein solches Justizfernsehen vorerst nicht in Sicht sein. Die Fraktionen orientieren sich vielmehr an der Praxis des Bundesverfassungsgerichts, dessen Urteilsverkündungen bereits seit 1998 in Bild und Ton übertragen werden dürfen - die bisher einzige Ausnahme vom bundesweiten Filmverbot in Gerichtssälen. Danach werden die Bundesgerichte, wenn sich zu viele Teams zu einer wichtigen Urteilsverkündung anmelden, sogenannte Poollösungen bilden: Wenige Teams machen Bilder, die sie den Kollegen zur Verfügung stellen müssen.
Ob es irgendwann doch noch zu dem gerichtseigenen Fernsehen käme, das Limperg eigentlich als vorzugswürdig erachtet, steht damit in den Sternen. Es würde jedenfalls erhebliche Investitionen erfordern - und könnte nicht verhindern, dass die Sender gleichwohl eigene Teams schicken. Das dürfte sich bereits aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts ergeben. Mehrfach hatten die Richter über die Zulässigkeit von TV-Aufnahmen vor Verhandlungsbeginn zu entscheiden - und der Pressefreiheit stets einen hohen Rang eingeräumt.