Kachelmann-Prozess:Mahnen, nicht einschüchtern

Es ist gut, dass das Landgericht Köln mit seinem Urteil zur journalistischen Sorgfalt aufruft. Aber 635 000 Euro Schmerzensgeld sind für eine Mahnung zuviel.

Von Wolfgang Janisch

Die mediale Berichterstattung im Prozess gegen Jörg Kachelmann war ein Sündenfall. Gewiss, große Strafprozesse waren schon immer Gegenstand lärmender Übertreibung, denn sie bieten Schlüsselreize, denen der Boulevard nicht widerstehen kann - Blut, Sex, Tränen.

Aber jener Giftmix aus aggressiver Vorverurteilung und Verbreitung intimster Details eines Stars, der bis zum Urteil als unschuldig zu gelten hatte und am Ende freigesprochen wurde, war bis dahin einzigartig. Deshalb ist es richtig, dass das Landgericht Köln hier ein klares Urteil gesprochen hat.

Eine andere Frage ist, ob eine derart hohe Summe gerechtfertigt ist: 635 000 Euro sollen Bild und Bild-Online zahlen - eine Rekordsumme. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich darin der geballte Unmut der Justiz widerspiegelt, der sich während des Kachelmann-Verfahrens aufgestaut hat. Der Verfall der Sitten, die Enteignung justizieller Verfahren durch vorverurteilende Medien: Das hat den Zorn der Richterschaft angefacht.

Das Kachelmann-Urteil ist als Mahnung gedacht, dass auch in spektakulären Fällen die Regeln journalistischer Sorgfalt gelten. Das ist gut so.

Kachelmann gegen Medien
:"Allen auf den Sack gehen, die mir das Leben schwer gemacht haben"

Im Vergewaltigungsprozess wurde Jörg Kachelmann freigesprochen, er kämpft aber immer noch um Normalität - vor Gericht gegen die "Bild" und auch finanziell, wie er jetzt erzählt.

Aber es darf nicht zur Einschüchterung jener dienen, die über heikle Prozesse zu berichten haben, Prozesse, die häufig auch das Privatleben der Angeklagten ausleuchten müssen. Darüber sollten die Richter der nächsten Instanz noch einmal nachdenken.

© SZ vom 01.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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