"Jung, weiblich, Boss!" auf RTL2:Schminken, strippen, Kraulsalon eröffnen

"jung, weiblich, Boss!" Mit Designerin Jette Joop

Weit weg von der Lebensrealität echter Start-up-Unternehmerinnen: Designerin Jette Joop mit den Teilnehmerinnen von "Jung, weiblich, Boss!"

(Foto: RTL II / Bernd Jaworek)
  • "Jung, weiblich, Boss!" ist eine fünfteilige Reality-Doku, die zur Primetime auf RTL2 zu sehen ist.
  • Nur 15 Prozent der Start-up-Gründer in Deutschland sind Frauen.
  • Wie die Sendung die ausgewählten Gründerinnen aber präsentiert, hat mit der Realität von Start-up-Unternehmerinnen sehr wenig zu tun.

Von Vivien Timmler

Klar gibt es erfolgreiche deutsche Start-up-Gründerinnen. Sie tummeln sich auf den Tech-Kongressen, den Crowdfunding-Plattformen und in den Co-Working-Spaces dieses Landes. An einem Ort waren sie bislang aber nicht zu finden: im Prime-time-Programm von RTL 2. Und das wird sich, sollten die künftigen Episoden von Jung, weiblich, Boss! nicht grundlegend anders ausfallen als die erste, so schnell auch nicht ändern.

Die Prämisse der fünfteiligen Reality-Doku ist ja so weit vernünftig: Nur 15 Prozent der Start-up-Gründer in Deutschland sind Frauen - und wir, RTL 2, haben acht davon gefunden. Acht Frauen, die "so mutig sind, sich selbst und ihren Ideen zu vertrauen". Dann aber laviert die Sendung zwischen den Geschichten junger Frauen, die schlechter für die Start-up-Kultur eines ganzen Geschlechts nicht stehen könnten.

Eine von ihnen träumt von einer eigenen Strip-Show in Las Vegas, eine andere möchte ihre Mitmenschen in einem "Kraulsalon" beglücken, und eine dritte will mit einer Superfood-Bowl erreichen, "dass die ganze Welt gesund essen kann". Groß träumen können die Frauen - zuschauen will man ihnen dabei aber tunlichst nicht.

Zwar mögen die Quoten dem Sender RTL 2 suggerieren, dass sich auf dem schmalen Grat zwischen anfänglicher Ungläubigkeit und anschließendem Dauerfremdschämen gutes Geld verdienen lässt. Gerade in Zeiten von Sexismusdebatten ist es aber geradezu fahrlässig, eine ganze Generation von Gründerinnen so hinzustellen, als seien sie naive Blondchen, die mit rosa Plüsch und nackter Haut möglichst schnell möglichst viel Geld verdienen wollen. Der Sender schenkt mit Jung, weiblich, Boss! einem Format Sendezeit, das junge Unternehmerinnen schwach wirken lässt, statt sie zu stärken - und das obendrein so wenig mit der Lebensrealität von Start-up-Unternehmerinnen zu tun hat wie nur irgendwie möglich.

Dabei hat die Gründer-Show Die Höhle der Löwen bei Vox in mittlerweile vier Staffeln längst vorgemacht, wie sich mit cleveren Geschäftsideen, kreativen Pitches und klug kalkulierten Businessplänen Quote machen lässt. All das sucht man bei Jung, weiblich, Boss! jedoch vergeblich.

Die Designerin Jette Joop soll den Gründerinnen zeigen, wie sie ihr Geschäft aufbauen können. Aber anstatt mit ihnen über tatsächliche Wachstumspotenziale oder - noch weiter hergeholt - Zahlen zu sprechen, erklärt sie erst einmal, was für Vorteile es hat, Chef eines eigenes Unternehmens zu sein. Etwa dass man bestimmen kann, wann man aufstehen will und wann nicht. "Und mit wem man ins Bett gehen will und mit wem nicht." Lebt man jungen Gründerinnen so unternehmerisches Denken vor?

Statt die Frauen kompetent zu beraten, erinnert Joop eher an Heidi Klum, wie sie einen Großteil der Sendezeit gekünstelt lächelt, sich selbst ziemlich gut findet und sich, wenn es der Plot verlangt, um ihre Schäfchen sorgt. Die 27-jährige Kandidatin Myra mache sich doch ihr Leben kaputt, wenn sie mit ihrer Strip-Show irgendwann mal im Internet auffindbar wäre. In der Sendung öffentlich über deren Wunsch nach einer Brustvergrößerung sprechen, weil das auf der Bühne besser aussähe, das ist für Joop aber offenbar in Ordnung. Konsequenterweise ist auch Bernd Schumacher, der Chef der Produktionsfirma von Jung, weiblich, Boss! der Auffassung, die Zuschauer könnten dank der Doku endlich einmal hautnah miterleben, "wie junge Unternehmerinnen Flügel bekommen". Zumindest die erste Folge ist leider ein Absturz.

Jung, weiblich, Boss!, RTL 2, 20.15 Uhr.

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