Jung und kritisch:Tee und Politik

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Mit 14 hat Yasmine M’Barek über Mode gebloggt. Heute ist sie Journalistin, bald vielleicht Politikerin. (Foto: Yasmine M'Barek)

Die Kölnerin Yasmine M'Barek ist 21 und schon seit Jahren Bloggerin, Podcasterin, Journalistin. Zur Aktivistin will sie aber nicht gemacht werden. In ihrem Podcast beschäftigt sie sich mit Wirtschaft und Innenpolitik und überlegt, irgendwann vielleicht selbst Politikerin zu werden.

Von Jacqueline Lang

Angefangen hat Yasmine M'Barek, wie viele andere in ihrem Alter, vor mehr als sechs Jahren mit einem Blog. Es ging um Plus Size Fashion, damals noch auf der Plattform Tumblr. Auch dass sie später bei Instagram gelandet und sich dort für Popfeminismus begeisterte - nicht weiter ungewöhnlich für eine junge Frau wie sie. Ästhetische Bilder mit nachdenklichen Texten - man findet sie so oder so ähnlich auch auf vielen anderen Instagramprofilen. Und doch unterscheidet sich die 21-Jährige von vielen in ihrer Generation. Mit dem Schauspieler Elias M'Barek hat das übrigens nichts zu tun; sie ist, um die Frage gleich zu beantworten, nicht mit ihm verwandt.

Anders als viele engagiert sich M'Barek, deren Markenzeichen auffällige Brillengestelle, mit einer meist daran befestigten goldenen Brillenkette sind, nämlich nicht etwa bei Fridays for Future für den Klimaschutz. Sie nimmt in ihrem Podcast Auf einen Polittee mit Yasmine M'Barek stattdessen seit Juli 2019 das politische System in Deutschland auseinander.

Eine Folge dauert im Schnitt nicht länger als 20 Minuten, M'Barek spricht leicht verständlich, und wenn sie doch mal Fachbegriffe benutzt, erklärt sie diese. In mal mehr, mal weniger regelmäßigen Abständen arbeitet sie sich an der Mautaffäre und Andreas Scheuer, dem Hype um Robert Habeck und den Grünen, der FDP und Christian Lindners Ego oder an der Frage um die Nachfolge von Annegret Kamp-Karrenbauer und Angela Merkel ab. Und dabei beweist sie ganz nebenbei: Politik ist ziemlich spannend, wenn man die Zusammenhänge versteht.

M'Barek, die praktisch nie Jeans, dafür fast immer einen Blazer und elegante Stoffhosen trägt, studiert Wirtschaftsjournalismus in Köln und arbeitet nebenbei bereits seit ein paar Jahren als freie Journalistin. Warum sie sich für Haushaltsüberschüsse und Investitionsstaus interessiert? "Mir reicht es nicht, mich mit den Dingen nur oberflächlich zu beschäftigen. Ich will die Zusammenhänge verstehen", sagt M'Barek. "Mit 17 fand ich deshalb auch schon Börsenwerte geil." Schon seit sie 16 Jahre alt sei, bekomme sie Push-Nachrichten zu aktuellen politischen Entwicklungen auf ihr Smartphone geschickt, daheim sei das Radio immer an gewesen, ihre Eltern hätten mehrere Zeitungen gelesen, am Esstisch sei schon seit sie denken könne immer viel diskutiert worden. "Ich kann mich noch daran erinnern, wie mein Vater sich über die Kämpfe in der CDU zwischen Merz und Merkel aufgeregt hat", erzählt M'Barek, die noch sehr klein gewesen ist, als die Auseinandersetzungen begannen.

Passend dazu lautet der Titel einer Podcastfolgen von Ende Februar "Zwischen Selbstzerlegung und Wiederaufbau - Wer wird die Zukunft der CDU". In einer extralangen Folge von 45 Minuten knöpft sich M'Barek darin die potenziellen Anwärter für den Parteivorsitz vor, beleuchtet das Für und Wider jedes Einzelnen, meinungsstark, aber differenziert. So viel sei aber verraten: Merz kommt in der Analyse nicht sonderlich gut weg. Los geht es aber wie immer erst einmal damit, dass M'Barek Tee eingießt. Der im Titel des Podcasts erwähnte Polittee. Sie selbst trinkt am liebsten weißen oder schwarzen Tee mit einem Schuss Milch - so auch an einem Freitagmittag in einem Kölner Café unweit des Neumarkt, als Kontaktbeschränkungen noch kein Thema sind.

Aktuell - das kann, wer ihre Instagram-Stories verfolgt, erraten - arbeitet sie aber auch noch an einem neuen Podcastformat, einer Sonderstaffel, die in zwei Teilen mit je fünf Folgen erscheinen soll. Dort spricht ausnahmsweise nicht nur M'Barek selbst, sondern sie lässt die Europa-, Bundes- und Landespolitiker zu Wort kommen, die sie so oft scharf - aber immer sachlich - kritisiert. Mit Katharina Barley und Lars Klingbeil (beide SPD) etwa hat sie sich schon getroffen, auch mit Daniel Föst (FDP) und Aminata Touré (Grüne). Der erste Teil der Staffel soll in gut zwei Wochen veröffentlicht werden. Auf einen genauen Termin will sich M'Barek noch nicht festlegen. Nur so viel verrät sie schon: "Die Zielgruppe sind Politikinteressierte ohne viel Vorwissen." Um die Corona-Krise werde es zwar auch, aber nicht nur gehen.

Dass es grob um Wirtschafts- und Innenpolitik gehen wird, kann man sich schon denken. Darüber spricht sie in ihrem Podcast auch sonst bevorzugt - auch wenn sie sich die Freiheit nimmt, immer wieder gesellschaftliche Themen aufzugreifen und Stellung zu beziehen. Eine Freiheit, die sie sich bewahren will. Deshalb ist sie, wie sie sagt, auch zumindest vorerst nicht daran interessiert, den Podcast von einer Firma wie etwa Spotify produzieren zu lassen. Diese Freiheit bringt allerdings mit sich, dass sie sich um alles selber kümmern muss, von der Recherche bis hin zum Schnitt.

Politisch Stellung zu beziehen, Haltung zu zeigen, hat für M'Barek allerdings auch einen Preis - abgesehen von Hasskommentaren. Immer wieder bekommt sie Anfragen von Medien, die wollen, dass sie sich politisch äußert, zuletzt zu den Anschlägen in Hanau. Einfach nur deshalb, weil ihr Vater aus Tunesien kommt. Man wolle sie in die Rolle der Aktivistin stecken, nur weil sie einmal in einem Kommentar kritisiert habe, wie weiß und eurozentristisch die deutsche Klimabewegung ist, sagt sie. "Nur weil man nicht weiß ist, ist man direkt Aktivist*in oder Aufklärer*in", schrieb sie erst kürzlich auf Instagram. Das verstecke die "gesamte restliche Identität".

Dass ihre Herkunft und die Art, wie sie wahrgenommen wird, sie geprägt hat, mag sie trotzdem nicht abstreiten. In ihrer Klasse sei sie die einzige Nicht-Weiße gewesen, und man habe sie sogar mal gefragt, ob sie aus dem Islam komme, erzählt M'Barek - ganz so, als wäre das ein Land. Unterschiedlichste Formen von Diskriminierungen und Anfeindungen, für die 21-Jährige gehört das zum Alltag. "Ich habe irgendwann verstanden: Alles ist ein Politikum", sagt die gebürtige Kölnerin. Die Ausschreitungen in Chemnitz im Sommer 2018 hätten sie dann schließlich vollends politisiert - sie aber eben nicht zur Aktivistin, sondern zur Journalistin gemacht.

"Ich habe irgendwann verstanden: Alles ist ein Politikum", sagt die Kölnerin

Seitdem ist viel passiert. Vor allem politisch, aber auch im Leben von M'Barek. Mit 14 hat sie auf ihrem Blog noch Kritiken über die Fashion Week geschrieben. Mittlerweile wurde sie von der Leserschaft des Onlinemagazins Edition F unter die Top 50 der Frauen gewählt, "die mit ihrer Stimme unsere Gesellschaft bewegen", saß während einer Anti-Rassismuskonferenz bei einer Podiumsdiskussion mit dem Rapper Samy Deluxe und hat die Ausstellung "Contemporary Muslim Fashions" in Frankfurt mitgestaltet - und all das mit gerade einmal 21 Jahren.

Von ihren Tweets und Posts ausgehend lässt sich nur schwer ablesen, wo M'Barek sich politisch selbst verortet, sie teilt gegen alle Parteien gleichermaßen aus. Sie selbst sagt, sie sei vielleicht konservativer und auch deutscher als es manchem lieb ist. Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - steht für sie fest, dass sie später einmal in die Politik gehen und Mitglied einer etablierten Partei werden wird, "wo es eine realistische Chance gibt, aktiv mitwirken zu können". Einfach deshalb, weil sie es auf Dauer nicht aushalten werde, "nur zu kritisieren", sagt M'Barek. Zunächst aber möchte sie als Journalistin die sein, "die von außen drauf schaut". Was sie sieht, beschreibt sie in ihrem Podcast - und dabei können nicht nur Menschen in ihrem Alter eine Menge lernen.

© SZ vom 23.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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