Ex-Chefredakteur der "Bild":Wie sich Julian Reichelt verteidigt

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Der frühere "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt bei seinem ersten TV-Auftritt seit seiner Entlassung. (Foto: Tobias Steinmaurer/dpa)

Der geschasste "Bild"-Chefredakteur spricht bei Servus TV über seinen Rausschmiss und seine beruflichen Pläne. Über einen, der versucht, seine Haut zu retten.

Von Aurelie von Blazekovic

Der Ton war sofort gesetzt. Noch bevor der Talk Links. Rechts. Mitte - Das Duell der Meinungsmacher am Sonntagabend bei Servus TV begann, polterte Intendant Ferdinand Wegscheider in seiner eigenen Sendung Der Wegscheider von "konzertiert geführten Attacken" gegen seinen "widerspenstigen" Sender, der sich seit der "Flüchtlingskrise 2015" und nun in Corona-Fragen von linken Medien abgrenze, der einzige in Österreich, der nicht establishmentgemäß berichte, und deswegen Angriffen von Pharmaindustrie, Politik und Medien ausgesetzt sei. Die Situation in Österreich, das vor einer allgemeinen Impfpflicht steht, vergleicht er mit "den letzten Wochen in der untergehenden DDR".

Für die dann folgende Gesprächsrunde wären damit die Fronten geklärt für Talkgast Julian Reichelt, der laut seinem früheren Chef, Springer-Vorstand Mathias Döpfner, "der letzte und einzige Journalist in Deutschland" war, der mutig "gegen den neuen DDR-Obrigkeitsstaat" aufbegehrte. Mitte Oktober wurde der Bild -Chefredakteur geschasst, jetzt macht er den Döpfner-Satz zu seinem Markenkern. Da sitzt er nun, mit Hornbrille und Krawatte, vom offenen Kragen und der Pilotensonnenbrille hat er sich verabschiedet, ein bisschen wie jemand, der sich als Konservativer verkleiden möchte.

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Es geht um Omikron (laut Reichelt eine "sehr, sehr, sehr milde Variante"), und dazu ist die Runde arm an Expertise, aber reich an Meinung: Neben Reichelt sind der Mathematiker Peter Markowich und der Journalist Thomas Walach eingeladen, außerdem die von Gen-Impfungen und manipulierten Zahlen irrlichternde Sängerin Julia Neigel. Im Gespräch über Corona wird Reichelt zwischendurch fast zur Stimme der Vernunft. Als Moderatorin Katrin Prähauser ihn hartnäckig nach den Gründen für seinen Abschied bei Bild befragt, nach den Vorwürfen von Machtmissbrauch und Fehlverhalten gegenüber Frauen, streitet er alles ab, geriert sich gar als Feminist: "Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich in meiner Position zum größeren Teil mit herausragenden Frauen gearbeitet habe. Und ich glaube, dass ich dazu beigetragen habe, an ganz vielen Positionen Frauenkarrieren zu ermöglichen, die vorher leider nicht möglich waren."

Schon in einem großen Interview in der Zeit inszenierte sich Reichelt als Leidtragender einer Kampagne, eines Klimas, in dem Karrieren mächtiger Männer durch diffuse Vorwürfe einfach beendet werden könnten. Zum Sendeumfeld von Ferdinand Wegscheiders ins immer Skurrilere abdriftendem Rebellensender Servus TV passen solche Geschichten.

Wie es weitergeht? "I'll be back", schreibt er über sich selbst auf Twitter. Er starte "eine Plattform" mit vielen jungen Kolleginnen und Kollegen, erzählt er in der Show, die "Journalismus, wie er sein sollte", betreiben soll. Und dann folgt ein Satz, der bei ihm fast wie ein Witz klingt: Die größte Marktlücke im Journalismus sei Journalismus. We will see.

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