Jugendmagazin aus dem Slum:Stolz statt Elend

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Mathare ist einer der größten Slums in Afrika. Hier wurde das Jugendmagazin "Zoom" entwickelt. (Foto: James Chemose)

"Zoom" ist ein neues Magazin aus Nairobi. 17 Jugendliche aus einem der größten Slums Afrikas haben es entwickelt. Sie hatten mit dem Heft vor allem ein Ziel: endlich ein Magazin für junge Kenianer, das Spaß macht und ihrer sozialen Wirklichkeit gerecht wird.

Von Anne Hemmes

Es geht um Mode, lokale Berühmtheiten, aber auch um Prostitution, Drogen und Krankheiten. "Zoom" hinterlässt Eindruck. Es wirkt ansprechend, professionell und gut gestaltet. Besonders die Geschichten bleiben im Gedächtnis. Wie das Protokoll einer jungen Kenianerin, die schnörkellos erzählt, wie sie zur Prostitution gekommen ist. Oder die Doppelseite, die über Drogenkonsum aufgeklärt. Daneben finden sich Interviews mit Politikern, Fußballern oder Musikern.

Zwar fehlen im Heft Vorspänne oder Autorenzeilen und Fotos sind ohne Quellenhinweise, aber das stört beim Lesen nicht wirklich. Es gibt einzelne Ressorts wie Unterhaltung, Gesundheit oder Soziales. Manche Seiten wirken grafisch sehr poppig und erinnern ein wenig an die "Bravo".

Die Idee zum Magazin hatte die deutsche Designstudentin Viola Kup. Sie war für ein Praktikum in Nairobi und ihr fiel auf, dass viele kreative Leute nicht wissen, wie sie ihr Talent nutzen können. "Ich wollte Design- und Foto-Workshops anbieten. Bei drei Jugendorganisationen habe ich die Idee vorgestellt", sagt die 29-Jährige. Daraufhin bekam sie als Beispiel Beerdigungsfotos gezeigt. Oft fotografierten die Leute dort auf Hochzeiten oder anderen Veranstaltung, anstatt sich auch anders zu vermarkten.

Redaktionsmitglieder leben im Slum

Kup startete die Workshops in Kooperation mit der Mathare Youth Sport Association (Mysa), eine Entwicklungsorganisation, die unter anderem kreative Projekte anbietet. Die Seminare liefen so gut, dass die Idee für ein Magazin entstand. "Wir wollten eine Plattform entwickeln, auf der die jungen Leute ihre Arbeiten zeigen können." Umgesetzt haben das Heft Jugendliche aus Nairobi, die die ganze kreative Arbeit gemacht haben.

In der kenianischen Hauptstadt leben zwei Drittel der Menschen in Slums. Mit 900.000 Bewohnern ist Mathare einer der größten Slums Afrikas. Fünf der Redaktionsmitglieder kommen aus Mathare, die anderen kommen aus den Eastlands von Nairobi. Viertel, die die Jugendlichen selbst als Ghetto oder Slum bezeichnen.

Ihre Herkunft spielte in dem Magazin eine entscheidende Rolle. Auf dem Cover sind, untypisch für ein Magazin, keine Models, sondern drei junge Frauen aus der Redaktion. "Hier gibt es auch Schönes. Das wollen wir zeigen. Mathare ist sonst nur dafür bekannt, dass es gefährlich ist", sagt Alex Ndegwa, der das Design-Team bei "Zoom" leitet.

Vincent Mbiti, Francis Kathae, Irene Esonga, Getrude Awino, Viola Kup und Edlyne Akumu arbeiten an "Zoom". Die Redaktion hatte nur wenige Computer zu Verfügung. (Foto: Alex Ndegwa)

Er sieht in dem Heft eine Chance, Leute aus Nairobi zwischen 18 und 25 Jahren zu erreichen und vor allem ihre soziale Wirklichkeit abzubilden. "Es gibt Magazine für Ältere oder Business-Hefte, aber was ist mit uns, der Jugend, die unterhalten und informiert werden will?", sagt Ndegwa. "Wir wollen ein Sprachrohr für sie sein."

Auch Irene Esonga, die für das Layout zuständig war, betont, wie grundlegend es für sie ist, junge Leute anzusprechen. "Wir wollen so viele Jugendliche wie möglich erreichen und einen positiven Einfluss auf sie ausüben", sagt die 20-Jährige. "Ich habe einen Artikel über Mode geschrieben. Ich wollte den Lesern zeigen, dass man nicht reich sein muss, um gut auszusehen." Auf den Fotos in "Zoom" zeigen die Jugendlichen offen, woher sie kommen. Ihre Herkunft wird nicht versteckt, sie prägt die Identität. Oft liest man den Satz, dass der Slum sie zu der Person gemacht hat, die sie heute sind.

Die wenigen Magazine, die es in Kenia für junge Leser gebe, konzentrierten sich nur auf wohlhabende Leute aus reichen Familien, findet Esonga. Die Artikel in "Zoom" sind in Englisch und Sheng, eine Jugendsprache, die viele Menschen in Nairobi sprechen. Ihre Zielgruppe soll leicht Zugang zu den Inhalten bekommen.

Den Preis von 100 Schilling (umgerechnet circa ein Euro) für ein Heft betrachten sie als fair. Zum Vergleich: eine Monatsmiete liegt bei rund 2000 Schilling, das sind umgerechnet circa 20 Euro. Für ein Zwanzigstel der Miete müsste jemand in Deutschland, dessen Miete bei beispielsweise 400 Euro liegt, 20 Euro für ein Heft bezahlen.

Drei Computer, zwei Aufnahmegeräte

Ein Magazin ist in Kenia etwas Besonderes. Wenn die Menschen Bücher oder Magazine besitzen, behalten sie diese oft jahrelang, sagt Viola Kup. Auf die Fotos im Heft wurde deshalb viel Wert gelegt. Die Leser sollen sie ausschneiden und aufhängen können.

Finanziert wurde das Heft mit einer Auflage von 1000 Stück über Crowdfunding. "Unser Ziel waren 1600 Euro für die Druckkosten", sagt Kup. Am Ende sammelten sie 2100 Euro und konnten damit eine Launch-Party machen. Bei der Party verkaufte das Team rund 100 Magazine. Wie viele es inzwischen geworden sind, kann Kup nicht genau beziffern. Viele Hefte gehen an Straßenhändler.

Das Equipment der Redaktion ist sehr klein: drei Computer, zwei Aufnahmegeräte und ein paar Kameras. Auch wenn die Redaktion unterwegs war, gab es Probleme, zum Beispiel beim Fotografieren des Titels. Aus Sicherheitsgründen mussten die Jugendlichen immer zu viert oder fünft losziehen, wie Viola Kup sagt. "Sie werden wahnsinnig häufig von der Polizei angemacht. Wenn die junge Leute mit einer Kamera sieht, denkt sie meistens, die sei geklaut."

Die meisten Redaktionsmitglieder haben vor "Zoom" in Projekten der Entwicklungsorganisation Mysa fotografieren, zeichnen oder filmen gelernt. Esonga und Ndegwa haben persönlich aus dem Magazin-Projekt vieles mitgenommen, sagen sie. Esonga bekam einen Job als Assistentin in einer Filmfirma. "Ich bin stolz, dass ich mit Design jetzt mein Geld verdiene", sagt sie.

Ndegwa, der anfangs nur Grundlagen des Fotografierens kannte, hat inzwischen kleinere Aufträge als Designer und entwirft Logos, Banner oder Visitenkarten. Für beide ist "Zoom" eine Erfolgsgeschichte, die sie fortführen wollen. In dem Punkt geben sie sich sehr selbstbewusst.

"Auch wenn wir nicht die beste Ausstattung haben, machen wir trotzdem das beste Magazin", sagt Ndegwa. Er träumt davon, dass "Zoom" irgendwann außerhalb von Nairobi erscheint. Alle drei Monate wollen sie eine neue Ausgabe veröffentlichen. Die Themenmischung soll gleich bleiben. Um zu planen, was in das nächste Heft kommt, hat die Redaktion eine Facebook-Seite angelegt. Dort sollen die Lesen schreiben, was sie gerne lesen würden.

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