Timing ist alles. Just am Tag, an dem sein langjähriger Arbeitgeber nach Potsdam zum alljährlichen Bambi-Party-Gaudium lädt, zieht Jürgen Todenhöfer am Heimatort München seine eigene Show hoch. Der Mann, der 22 Jahre lang Top-Manager des Verlegers Hubert Burda war, präsentiert in einem Restaurant gegenüber dem Nationaltheater sein neues Buch.
Nach Bestsellern über das Kriegswesen im Irak und in Afghanistan legt er den staunenden Journalisten einen Titel vor, der gut in die Vorweihnachtszeit passt und dabei reichlich Autobiographisches einstreut: Teile dein Glück - und du veränderst die Welt. Die Botschaft ist Selbstbeschreibung: 95 Prozent seines Vermögens stecken inzwischen, nach eigenen Angaben, in sozialen Projekten, zum Beispiel in einer Stiftung für Menschen mit Multipler Sklerose. Auch Todenhöfers Tochter Nathalie ist daran erkrankt. Sie ist an diesem Mittag ebenso wie die anderen Kinder Todenhöfers in der "Opernstube" dabei. Der Nachwuchs hatte vorab einen Rat: "Gib bitte nicht den Moses."
Zeit seines Lebens hat Todenhöfer Aphorismen ersonnen und ersammelt, wie die Umwelt jetzt erfährt. Einmal sollten solche Kurzweisheiten sogar den Zweck einer geplanten Familienstiftung in Freiburg beschreiben, aber das Regierungspräsidium lehnte den Antrag in der literarischen Form ab. Da ging der Stifter lieber nach Liechtenstein und teilte dies gleich den Finanzbehörden mit.
Hundert Aphorismen zieren nun das neue Buch. "Verzichte auf äußere Ehren! Ehre selber!", heißt es da, oder: "Meide Nichtstuer, Playboys und Müßiggänger. Die einzige Rechtfertigung für Wohlstand ist harte Arbeit und soziales Engagement."
Alles ein bisschen Marc Aurel, Soziallehre und Kalenderabrissblatt, auf jeden Fall bemerkenswert persönlich. Dazu gibt es Anekdoten aus einem prallen Leben in Medien, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft: Sie spiegeln das Ringen um das Gute im Menschen und die Kämpfe eines nahbaren Außenseiters. Todenhöfer widmet das Glücksbuch seinem durch Suizid aus dem Leben geschiedenen Bruder Joachim - es erscheint zielgenau an diesem Freitag zum 70. Geburtstag des Autors. Material für Porträts liefert er somit frei Haus.
Da ist die Sache mit Helmut Kohl, dem übergewichtigen Führer der CDU, der eine politische Karriere des aufmüpfigen Todenhöfer in Bonn verhindert hat. Dessen ketzerischen Satz "Im Schlafwagen kommt man nicht an die Macht" hat Kohl nie verziehen. Und so wurde der smarte Bundestagsabgeordnete (1972 bis 1990) in seiner Partei zum "politischen Paradiesvogel", zum Mitglied einer "Stahlhelmfraktion", die in den achtziger Jahren nicht begreifen wollte, dass die deutsche Einheit nimmer kommt. Kohl habe selbst nach dem Fall der Mauer weiter gezögert, schreibt Todenhöfer, die CDU/CSU-Pressestelle habe wochenlang das Wort "Wiedervereinigung" nicht erwähnen dürfen.
In Bonn gelang dem CDU-Parlamentarier Todenhöfer das Kunststück, permanent in Presse und Fernsehen präsent zu sein, auch mit Reisen zu Chiles Diktator Pinochet oder ins sowjetisch besetzte Afghanistan. Das machte ihn bei Kohl umso verdächtiger, und so landete das PR-Talent in den Medien, bei Hubert Burda, dem Herrn über Bambi und Bunte. Mit dem Schulfreund aus Offenburger Tagen hatte er sich auf dem Pausenhof einst kräftig geprügelt. Burdas Reichtum habe ihm nie "imponiert", schreibt Todenhöfer, wohl aber die Entschlossenheit, mit der Burda darum kämpfte, das elterliche Unternehmen ins 21. Jahrhundert zu führen. Bis zum Eintritt in den Verlag seien sie "dicke Freunde" gewesen, "danach mussten wir unser Verhältnis neu definieren". Es habe "harte Konflikte" um den richtigen Kurs gegeben.
Hubert Burda:Vom Vater zum Verleger auserkoren
Hubert Burda leitet in dritter Generation eine süddeutsche Zeitschriften-Dynastie. Oft wollte er angreifen, manchmal fiel er nach eigenem Bekunden auf die "Schnauze".
Todenhöfer gab den eisernen Kassenwart, navigierte den Verlag durch Krisen und scheiterte mit Vivian, einer Art Focus für Frauen. Seit der Demission des Majordomus im Herbst 2008 ist der Kontakt abgerissen. Die heftigen politischen Tiraden Todenhöfers gegen die Afghanistan-Politik ("Wir betreiben Terrorzuchtprogramm") dürften ihn von Verleger Burda vollends entfremdet haben.
Todenhöfer spricht von seinem "relativen Erfolg in der Wirtschaft" und preist etwa Focus-Gründer Helmut Markwort, mit dem er intern oft im Clinch gelegen hatte. Von den Burda-Geschäftsführern hatte sich Todenhöfer mit Gitarrenspiel und dem Reinhard-Mey-Klassiker Gute Nacht, Freunde verabschiedet. Die Klampfe war auch dabei, als Todenhöfer auf seiner Berghütte im österreichischen Sulden im März 2001 mit Michael Jackson zwei Tage lang ein Internetprojekt für Burda besprach. Damals erklang Lili Marleen.
Wenn man Jürgen Todenhöfer heute in seinen kleinen Büroräumen im Münchner Dreimühlenviertel besucht, gleich neben dem alten Schlachthof, präsentiert sich ein gelassener Freigeist. Er lacht über die Machtspiele von einst, schwärmt von einer langen Auszeit in Brasilien und in Indien. Ein riesiges Bild an der Wand zeigt das Universum mit seinen Milchstraßen und Galaxien. "Wir sind entstanden aus Sternenstaub und werden zu Sternenstaub", befindet Todenhöfer. Den Menschen begreift er mittlerweile als "kosmische Eintagsfliege".
Sternenstaub, so heißt auch seine gemeinnützige deutsche Stiftung, die sich um Kinder in Afghanistan, Pakistan, im Irak und Kongo, in Israel und Palästina kümmert sowie um alte Menschen in München; seine Abgeordnetenpension gibt Todenhöfer hierfür aus. Auch als Kleingesellschafter von Burdas Tomorrow Focus AG ist die Sternenstaub-Stiftung einmal aufgefallen. Und Todenhöfer stieg vor zwei Jahren bei der Internetfirma Jenomics ein.
Spott und Hohn seien insgesamt seine "treuesten Begleiter" gewesen, resümiert der Politikermanagerautor. Er sieht hier eine lange Linie, die einst mit dem Spruch "Hodentöter" der SPD-Größe Herbert Wehner begann. Und manchmal fragt er sich, was die alten Gefährten von Hubert Burda Media wohl denken, wenn sie einmal nachschauen, wo ihr einstiger Vizechef jetzt arbeitet. Aber dann ist das Jürgen Todenhöfer auch wieder egal.
Es sei ihm um die "Zwischenbilanz eines bunten Lebens gegangen", sagt Todenhöfer in der Opernstube, auch um einen "Appell an die Wohlhabenden" und darum, "die Summe des Lächelns zu vermehren." Als die Verteidigungsminister den Luftschlag von Kundus für "angemessen" bezeichneten, da habe er etwas tun müssen. Er seid erstaunt, erklärt der Jubilar noch, "wie leicht heute Politikern die Worte 'Krieg' und 'Töten' über die Lippen gehen". Das sei in seiner Jugend nicht vorstellbar gewesen. Zum Glück nicht.