Süddeutsche Zeitung

Neuer Streaming-Dienst Joyn:Tanz um den Fernsehzuschauer

Lesezeit: 2 min

Von Benjamin Emonts

Es ist spät für die Mediengruppe ProSiebenSat1 - womöglich zu spät. Netflix, Amazon Prime und andere Streamingdienste haben den Markt auch hierzulande bereits großflächig besetzt und sie machen nicht den Eindruck, sich damit zu begnügen. Nur zusehen, wie die Dienste immer mehr Fernsehzuschauer für sich gewinnen, will man bei ProSiebenSat1 aber auch nicht.

Seit Dienstag geht die Mediengruppe deshalb gemeinsam mit dem US-Medienunternehmen Discovery mit einem eigenen Streamingangebot namens Joyn an den Start. Das Angebot ist zunächst kostenlos und läuft auf Smartphones, Computern und auf dem Fernseher. Mit zahlreichen deutschsprachigen Sendern und Sendungen wolle man sich einen Vorteil gegenüber den großen US-Konzernen verschaffen, sagte Geschäftsführerin Katja Hofem bei der Vorstellung der App in München. "Wir wollen der lokale Champion in Deutschland werden."

Max Conze, der Vorstandschef von ProSiebenSat 1, gibt das Ziel aus, in zwei Jahren zehn Millionen Nutzer für sich zu gewinnen. Die bereits bekannten Zahlen lesen sich nicht weniger ambitioniert. Allein im Jahr 2019 investieren ProSiebenSat1 und Discovery je 50 Millionen Euro in die Entwicklung des Streamingangebots. Aus anfangs fünf Mitarbeitern sind mittlerweile 250 aus 24 Nationen geworden. Den eigenen Streamingvorgänger 7TV mit etwa einer Million Nutzern löst ProSiebenSat1 zugunsten des neuen Produkts auf. Mitintegriert werden Ende des Jahres dafür Maxdome und der Eurosport Player, die gemeinsam ebenfalls mehr als zwei Millionen Nutzer mitbringen. Auf dem Eurosport Player laufen pro Saison rund 40 Bundesliga-Spiele.

Die Konkurrenz rüstet währenddessen ebenfalls deutlich auf

Die zentrale Frage bleibt aber, was ProSiebenSat1 bieten kann, um sich auf dem umkämpften Streaming-Markt durchzusetzen? Joyn setzt auf ein sogenanntes Freemium-Modell, das zum Großteil aus kostenfreien werbefinanzierten Angeboten, aber auch aus Premiuminhalten gegen Bezahlung besteht. Zu den kostenlosen Inhalten zählen bislang elf Mediatheken und die Livestreams von mehr als 50 lokalen TV-Sendern, darunter ARD, ZDF, Pro Sieben, Sat 1 und Sport 1. "Wir decken damit 67 Prozent des gesamten deutschen Free-TV Marktes ab", sagt Geschäftsführerin Hofem. Außerdem soll es zahlreiche Fernsehinhalte vorab auf der Plattform zu sehen geben. Vor Beginn des Streams muss der Kunde einen Werbespot hinnehmen, dazu die regulären Werbepausen der Sender.

Außerdem geplant sind Eigenproduktionen wie die Serie Jerks mit Christian Ulmen und Fahri Yardim, die auf der Plattform am 18. Juni in die dritte Staffel startet. Andere Produktionen wie Check, Check mit Klaas Heufer-Umlauf oder Frau Jordan stellt gleich von Stromberg-Autor Ralf Husmann mit Schauspielerin Katrin Bauerfeind sollen folgen. In der Nische lokaler Eigenproduktionen sieht man bei Joyn eine Chance. "Sie müssen nicht auf der ganzen Welt funktionieren", sagt Hofem. "Wir wollen mit dem Lokalkolorit spielen."

Besonders von längeren Serien sollen nur die ersten Folge kostenfrei gezeigt werden, bevor die Bezahlschranke fällt und die Kunden in das Premiumsegment gelockt werden. Einfach dürfte das aber nicht werden, auch wenn die Verantwortlichen voller Zuversicht sprechen. Sämtliche Sender der RTL-Gruppe fehlen im Angebot, weil die mit TV Now gerade eigene Ambitionen auf dem Streaming-Markt vorantreibt. Außerdem fehlen bislang alle HD-Angebote. Auch das Angebot an hochwertigen Serien sollte noch deutlich wachsen. Zumal Netflix derzeit aufrüstet am deutschen Markt und demnächst in Berlin eine eigene Niederlassung eröffnen wird.

Und wie sieht das ganze aus? Alles wirkt sehr aufgeräumt und erinnert durchaus an Netflix, nur etwas farbiger. Auf dem Homescreen sind Empfehlungen, Livestreams und Genres zu finden. Bei einem ersten Versuch ist die App einfach zu nutzen. Ein erster Schritt zum guten Streamingerlebnis ist damit schon mal gemacht.

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Quelle:
SZ vom 29.05.2019
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