Menschen mit Migrationshintergrund sind in deutschen Redaktionen unterrepräsentiert. Während das Statistische Bundesamt für das Jahr 2018 ihren Anteil an der Gesamtbevölkerung auf 25,5 Prozent beziffert, zeigt allein der Augenschein, dass es in hiesigen Medienhäusern ganz anders aussieht. Nun ist optischer Eindruck allein keine Argumentationsgrundlage, weshalb sich der Verein "neue deutsche medienmacher*innen" (ndm) aufgemacht hat, die Lage etwas genauer zu sondieren. In seinem am Montag vorgestellten Bericht "Viel Wille, kein Weg - Diversity im deutschen Journalismus" beschreibt der ndm auf 68 Seiten die Lage als eher undurchsichtig.
Ausgehend von einer Resolution des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), der 2018 an Medienunternehmen appellierte, bei der Auswahl ihrer Beschäftigten die gesellschaftliche Vielfalt abzubilden, hat der ndm 126 Chefredakteure in 122 Redaktionen "der reichweitenstärksten regionalen und überregionalen deutschen Medien" angeschrieben und gefragt, wie sie es halten mit Diversity. Schwerpunkt der Untersuchung ist dabei das Thema Migrationshintergrund, andere Aspekte von Diversität klingen eher am Rande an.
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"Mit einer Ausnahme konnte niemand dazu verlässliche, also systematische Angaben machen."
Von immerhin 90 Befragten kam eine Reaktion auf das Schreiben, 80 haben inhaltlich zu den Fragen Stellung genommen. Von den 80 haben 56 auf die Frage geantwortet, ob sie den Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in ihrer Redaktion kennen. "Mit einer Ausnahme konnte niemand dazu verlässliche, also systematische Angaben machen", heißt es im Bericht. Einige lieferten Schätzungen. So arbeitet etwa bei der Märkischen Oderzeitung niemand mit einem Migrationshintergrund in der Redaktion, während man beim Kölner Express den Anteil auf 15 Prozent schätzt. Lediglich die Nachrichtenagentur Thomson Reuters führt eine Statistik zum Thema Diversity und gibt den Anteil derjenigen, die eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen, mit 31 Prozent an.
Angesprochen auf die DJV-Resolution äußerten sich 41 Redaktionen positiv, 20 blieben neutral, und vier waren dagegen, sich gezielt für eine vielfältiger besetzte Redaktion einzusetzen. Das Ergebnis fasst der ndm im Fazit "Viel Support, wenig Action" zusammen. Die durchaus positive Einstellung zum Thema Vielfalt spiegele sich in deutschen Chefredaktionen nicht. "Sie sind eine homogene Enklave" heißt es. Nur in acht Fällen sitzen in den Chefredaktionen Menschen mit Migrationshintergrund, was angesichts von 126 berücksichtigten Chefredakteurinnen und Chefredakteuren einer Quote von gerade mal 6,4 Prozent entspricht. Als Bezugsländer der Chefredakteure werden Österreich, Dänemark, Luxemburg, Niederlande, Irland, Italien, Rumänien und Griechenland angegeben, also Länder, "die im öffentlichen Diskurs nicht als 'fremd' kodiert werden".
Kritisiert wird in der von Google geförderten Untersuchung, die übrigens keinen Anspruch auf Repräsentativität formuliert, die mangelnde Bereitschaft, systematisch Daten zur Lage zu erheben. Oft werde Datenschutz als Argument fürs Nichtstun vorgeschoben, ebenso die Angst, Mitarbeiter könnten auf eine Erfassung des Migrationshintergrund empfindlich reagieren. Dieses Argument will der ndm aber nicht gelten lassen. Er verweist darauf, dass inzwischen sogar Bundes- und Landesbehörden Daten über die Vielfalt in ihren Belegschaften erheben.
Gute Ansätze sieht der Bericht beim WDR, der zwar auch keine belastbare Statistik führt, der aber immerhin angibt, bei der Auswahl von Volontären ein großes Augenmerk auf die kulturelle Vielfalt zu legen. Als Vorbilder werden die BBC und der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Irland angeführt. Dort erhebe man Daten, formuliere Ziele und mühe sich auch, diese zu erreichen.
Dementsprechend fällt auch die Wunschliste des ndm an die deutschen Chefredaktionen aus. Man wünscht sich von den Chefs eine Zielvorgabe, einen Anstoß zur fundierten Statistik und eine Änderung der Rekrutierungsprozesse, die es leichter macht, Menschen mit Migrationshintergrund für die Redaktion zu gewinnen.