Süddeutsche Zeitung

Pressefreiheit in Deutschland:Mehr Angriffe

Besonders bei Demonstrationen nimmt die Gewalt gegen Journalisten zu. Der Deutsche Journalistenverband fordert eine bessere Zusammenarbeit mit der Polizei.

Von Ramona Dinauer

In Hauseingänge geschubst, geschlagen, bespuckt, über Megafone ausgerufen und vor der eigenen Wohnung belagert - so berichtet der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) Frank Überall von Erlebnissen seiner Kollegen bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. Anlässlich der zunehmenden Bedrohung von Medienschaffenden fordert der DJV von Politik und Sicherheitsbehörden einen besseren Schutz von Journalistinnen und Journalisten.

"Menschen steigern sich in dieses Thema Corona-Diktatur so rein, dass man uns als Medienschaffenden als Nazis bezeichnet. Da entsteht ein völlig eigenes Bedeutungs- und Gedankengebäude und dem muss Einhaltung geboten werden", sagt Überall bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin. Er wünsche sich eine engere Kooperation zwischen Journalisten und Polizei. Bei Einsätzen müsse der Schutz von Medienschaffenden sowie die Freiheit der Berichterstattung durch die Beamten gewährleisten sein. "Wir haben Städte und Bundesländer, wo Kamerateams nicht mehr ohne Bodyguard berichten können", erzählt Überall. Immer häufiger würden Kameras absichtlich geblendet, damit keine verwertbaren Aufnahmen entstehen könnten.

Als er vor sechs Jahren zum Bundesvorsitzenden des DJV gewählt wurde, hörte er immer öfter von Angriffen auf Journalisten, vor allem bei Pegida-Demonstrationen. Seitdem nehmen die Attacken gegen Presse weiter zu - besonders seit der Coronakrise. Allein 2020 gab es laut Bundesregierung bundesweit 252 Straftaten, die sich "gegen Medien" richteten, meist bei Demonstrationen.

Verband will Polizei besser über Presserechte informieren

Oftmals herrscht laut Überall eine große rechtliche Unkenntnis bei Einsatzkräften, was die Presse darf und was nicht. Deshalb werde der Journalisten-Verband Flyer an Polizeistationen verteilen, die über Berichterstattung bei Einsatzkräften informieren sollen. So zum Beispiel über Aussehen und Gültigkeit des bundesweiten Presseausweises sowie der Kontaktaufnahme zwischen Polizei und Medien. Medienschaffenden sollten schon vor Einsatzlagen Kontakt mit der Polizei aufnehmen, um zu erfahren, welche Gruppierungen anwesend sein werden und wo Gefahrenstellen bei Demonstrationen entstehen könnten.

Dass der Hass auf Journalisten keine Grenzen mehr kenne, zeigten hunderte Mordaufrufe in Telegram-Chaträumen gegen Politiker, Wissenschaftler, Ärzte und Journalisten, sagte Überall bereits vergangene Woche. Auch der Journalistenverband wir beleidigt. "Wenn ihr auf die Fresse bekommt, dann regt sich bei mir kein Mitleid", ist in einer Mail zu lesen. Deshalb forderte der DJV Innenministerin Nancy Faeser auf, hart gegen die Absender von Mord- und Gewaltaufrufen auf Telegram vorzugehen. Faser schrieb am Freitag dazu auf Twitter: "Todesdrohungen sind keine Bagatelldelikte, sondern schwere Straftaten. Wir setzen alles daran, aufzuklären und Täter zur Verantwortung zu ziehen. Wir akzeptieren nicht, dass Anbieter Hunderttausenden eine Plattform bieten, aber sich wie Briefkastenfirmen den Regeln entziehen."

Es müsse klar sein, dass nicht nur die Innenministerin klare Vorgaben zum Umgang mit Presse mache. Einsatzbesprechungen müssten bis zur einzelnen Beamtin und Beamten durchdekliniert werden, betonte Überall. Immerhin stelle er fest, dass Justizbehörden dem Thema Bedrohung gegen Journalisten mehr Aufmerksamkeit schenken. Auch mit den neu gewählten Medienpolitikern stehe der Verband in Kontakt, sagt Überall, und die zeigten ebenfalls mehr Sensibilität für die Probleme von Journalisten als die vorherige Bundesregierung.

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