Interview mit Jost Vacano:"Ich bin naiv gestartet"

Interview mit Jost Vacano: Endlich angemessen bezahlt: Kameramann Jost Vacano vor dem Modell der U-96 in der Bavaria-Filmstadt.

Endlich angemessen bezahlt: Kameramann Jost Vacano vor dem Modell der U-96 in der Bavaria-Filmstadt.

(Foto: Privat)

Kameramann Jost Vacano, 87, bekommt nachträglich 160 000 Euro für den Kinofilm "Das Boot". Ein Interview über den späten Erfolg.

Von Lena Reuters

Nach dreizehn Jahren haben sich Kameramann Jost Vacano und die ARD-Anstalten geeinigt. Für den Erfolgsfilm "Das Boot" erhält er nachträglich eine Zahlung von 160 000 Euro. Ursprünglich hatte Vacano, 87, für seine Kameraarbeit von anderthalb Jahren eine Pauschalvergütung von umgerechnet rund 100 000 Euro bekommen. Seit 2002 gewährt der sogenannte Fairnessparagraf im Urheberrechtsgesetz Kreativen eine angemessene Beteiligung am Filmerfolg, wenn ihre Vergütung in einem "auffälligen Missverhältnis" zum Erlös aus dem Film steht. Ein weiterer Rechtsstreit mit der Produktionsfirma Bavaria Film und dem Videoverwerter Eurovideo steht noch aus.

SZ: Sie haben sich mit den ARD-Anstalten auf die Summe von 160 000 Euro geeinigt. Mit welchem Gefühl gehen Sie aus diesem Vergleich?

Jost Vacano: Finanziell ist es nur ein Viertel dessen, was ursprünglich zur Diskussion stand. Das ist natürlich niedrig. Aber es ist ein berufspolitisches Unterfangen gewesen, was ich gestartet habe. Die Tatsache, dass nicht nur Kameraleute, sondern auch Cutter oder Ausstatter in der Filmwelt am Erfolg ihrer Werke beteiligt werden, war das Ziel. Das hat es vorher nie gegeben und ist, soweit ich weiß, weltweit einzigartig. Ich bin 87, irgendwann müssen die Prozesse enden. Was übrig bleibt, ist unter normalen Aspekten noch ganz ordentlich. Ich hoffe, dass wir im kommenden Jahr auch das Verfahren mit Bavaria Film und Eurovideo abschließen. Das wird finanziell einfacher zu beziffern sein. Hier sprechen wir über einen festen Betrag, der eingenommen wurde, an dem man sich prozentual orientieren kann. Bei den ARD-Anstalten war unklar, wie viel eine Wiederholung des Films überhaupt wert ist.

2008 entschieden Sie sich, vor Gericht zu ziehen. Über zehn Jahre später haben Sie einen Vergleich geschlossen. Was hat Sie so lange durchhalten lassen?

Während meiner Zeit in Hollywood habe ich einiges Geld verdient, daher glaubte ich, mir das Verfahren auch finanziell leisten zu können. Hinterher sah alles ein bisschen anders aus. Die Kosten auf meiner Seite für beide Verfahren, also Anwaltskosten, Gerichtskosten, Gutachterkosten und so weiter, liegen ungefähr bei einer Viertelmillion Euro. Viele Leute sagen, hör doch auf damit, du ruinierst deine Nerven. Wenn ich sagen würde, ich gebe auf, heißt das, dass ich außer meinen eigenen Kosten auch noch einen Großteil der Kosten der Gegenseite mit bezahlen muss. Denn wenn ich eine Klage zurückziehe, dann hat die andere Seite gewonnen. Ich stecke dann mit einer guten halben Million drin, und das hätte ich mir nie leisten können. Ich bin naiv gestartet und hatte mir so fünf Jahre für das Verfahren gegeben. Aber man darf sich nicht mürbemachen lassen.

Sie waren als Kameramann des Filmklassikers Das Boot für einen Oscar nominiert - warum hat sich diese Leistung nicht auch finanziell ausgezahlt?

Künstler, sagen wir zum Beispiel Autoren, die Bücher schreiben, haben einen Anspruch, etwas für ihre Kunst zu bekommen. Techniker werden pauschal bezahlt und damit ist die Sache erledigt. Die Wahrnehmung ist oftmals, wir Kameraleute wären Techniker, die aufs Knöpfchen drücken, wenn der Regisseur "Action" sagt. Ich setze mich seit vierzig Jahren dafür ein, dass wir als Bildschöpfer wahrgenommen werden und dass sich das auch im Urheberrecht zeigt. Auch bei beiden Verfahren ging es mir in erster Linie um die rechtliche Anerkennung des Berufs. Keiner sagt, dass die Kamera für das verantwortlich ist, was man auf dem Bildschirm sieht. Ohne Bilder könnt ihr ein Hörspiel machen.

Konnten Sie sich bei Ihrem Anliegen mit anderen aus der Filmbranche zusammenschließen?

Na, ich bin letztlich ein Einzelkämpfer. Ich war vielleicht der einzige, der sich so ein Verfahren leisten konnte und wollte. Normalerweise kriegt man in dieser Branche danach nie wieder einen Job. Ich war 15 Jahre in Hollywood und von der deutschen Medienbranche nicht abhängig. Mit dem Film Das Boot hatte ich einen prominenten, viel besprochenen Fall. Man braucht ein wirklich gutes Bild, einen richtig guten Film, an dem man die Frage, wer was verdient, aufhängt. Ich wollte meinen Beruf und die Berufe der anderen künstlerischen Gewerke stärken. Letztlich hat es mir viele Jahre meines Lebens geraubt. Wie gut, dass ich das, als es losging, nicht gewusst habe.

Zuletzt hörte man von weiteren Gerichtsverfahren. Anika Decker, Drehbuchautorin von Keinohrhasen, erhielt Auskunft über die Einnahmen des Til-Schweiger-Films - beobachten Sie, dass sich in der Filmbranche etwas verändert?

Sicherlich. Es gibt zurzeit viele Auseinandersetzungen. Da geht es nicht unbedingt nur um Geld, sondern auch um Einfluss und Mitsprache. Erfolgsbeteiligung ist aber eben auch ein Thema, wie bei Anika Decker. Ich hoffe, dass mein Verfahren eine Entwicklung ausgelöst hat. Vielleicht habe ich nicht so viel Geld zugesprochen bekommen wie erwartet. Na okay. Aber die Tatsache, dass Dämme gebrochen werden, ist für mich persönlich ein großer Erfolg. Das ist etwas, was ich neben meinen Filmen in meinem Leben geleistet habe. Da kann ich stolz drauf sein.

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