Süddeutsche Zeitung

Cum-Ex-Skandal und "Die Zeit":Ruhe jetzt

Josef Joffe ist nicht länger aktiver Mitherausgeber der "Zeit", ein Brief von ihm warf Fragen zur Berichterstattung über den Cum-Ex-Skandal auf. Wie Joffe und die Zeitung nun reagieren.

Von Peter Burghardt, Anna Ernst und Bernd Kramer

Es ist eine Nachricht, hinter der eine Vorgeschichte steckt, und diese Vorgeschichte wirft für alle Beteiligten Fragen auf - darunter auch für Deutschlands größte Wochenzeitung. Der Journalist Josef Joffe ist deshalb nicht länger aktiver Mitherausgeber der Zeit. "Die Verleger und Josef Joffe haben einvernehmlich entschieden, dass sein Mandat als Herausgeber bis zum Vertragsende ruht", bestätigte eine Verlagssprecherin der Süddeutschen Zeitung. Der Vertrag des 78-jährigen Joffe läuft noch bis März 2023. Joffe selbst erklärt am Dienstag auf SZ-Anfrage: "Das hielten der Verleger und ich gemeinsam für angemessen in einer ungeklärten Lage. Druck war nicht im Spiel."

Sein Abgang kommt nur wenige Tage, nachdem ein brisanter Brief öffentlich wurde. Bis dahin hatte der vielfach ausgezeichnete Joffe nahezu alles erreicht, was in einem Journalistenleben möglich ist: Seine Laufbahn begann er in den 1970er-Jahren bei der Zeit. Von 1985 an war er für die Süddeutsche Zeitung in München tätig, leitete das Ressort Außenpolitik als ressortübergreifend brillanter Stilist und prägender Meinungsbildner, ehe er 2000 wieder zur Zeit nach Hamburg wechselte, wo er zu den Herausgebern zählt und zwischenzeitlich - gemeinsam mit Michael Naumann - auch die Chefredaktion übernommen hatte. Nun aber sieht sich Joffe mit schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert.

Konkret geht es um die Frage: Wurde ein investigativer Bericht über den Cum-Ex-Skandal womöglich absichtlich hinausgezögert, um einem mit Josef Joffe befreundeten Privatbankier einen Gefallen zu tun? Besagter Brief, den Joffe im Januar 2017 an Max Warburg schrieb, den Miteigentümer der Hamburger Warburg-Bank, enthält Passagen, die man so lesen kann. Anfang Mai hatte der Spiegel Auszüge aus diesem Brief veröffentlicht. Joffe selbst bestätigt auf SZ-Anfrage, dass das Dokument echt ist und von ihm stammt.

"In unserem Alter gilt: This is no time to fuck around with old friendships."

Dem Brief zufolge war zwischen den beiden Freunden Joffe und Warburg ein Streit über die Berichterstattung über die Cum-Ex-Geschäfte der Warburg-Bank in der Zeit ausgebrochen. Warburg soll seinem Ärger auch in einem Schreiben an Joffe Luft gemacht haben. Der Banker habe ihm "immer wieder die Schuld an dem Debakel der Bank" zugeschoben, erklärt Joffe heute auf SZ-Nachfrage. Daher habe er sich entschlossen, seinerseits einen Brief zu schreiben "um ihn daran zu erinnern, dass Geschäft und Freundschaft zweierlei Ding" seien.

Tatsächlich pflegten Zeit und Privatbank gute Verbindungen. Auch mit dem früheren SPD-Innensenator, späteren Bundeskanzler und nachmaligen Zeit-Herausgeber Helmut Schmidt war Max Warburg bestens bekannt. Der Bankier zählte zur legendären Freitagsgesellschaft bei Schmidts daheim in Hamburg-Langenhorn und leitet die dort beheimatete Helmut-und-Loki-Schmidt-Stiftung als Vorstandsvorsitzender. Die Zentrale der Zeit im Hamburger Zentrum heißt seit Anfang 2016 Helmut-Schmidt-Haus. Eine Schwester von Max Warburg ist mit Michael Naumann verheiratet, ehemals SPD-Kulturstaatsminister und danach erst Chefredakteur und dann Herausgeber der Zeit - zusammen mit Joffe.

"In unserem Alter gilt: This is no time to fuck around with old friendships", so formuliert es Joffe in seinem seitenlangen Antwortschreiben an Max Warburg. Wörtlich heißt es auch: "Ich habe Dich gewarnt, was in der Pipeline steckte, und meiner Intervention war es zu verdanken, dass das Stück geschoben wurde und die Bank Gelegenheit erhielt, Widerrede zu leisten". Joffe weist außerdem darauf hin, dass er den Bankier "angefleht" habe, "eine exzellente PR-Agentur" einzuschalten. Die Whistleblower in dem Geldhaus, die offenbar Ermittler auf das dortige Cum-Ex-Gebaren aufmerksam machten, bezeichnet Joffe in dem Brief als "Verräter im eigenen Hause Warburg".

Auf SZ-Nachfrage erklärt Joffe am Dienstag, er habe Warburg keinesfalls vor der betreffenden Recherche der Zeit in Kooperation mit dem NDR gewarnt. Das schließlich "hätte den journalistischen Ethos verletzt". Vielmehr habe er den noch nicht veröffentlichten Artikel gelesen und der Redaktion lediglich geraten, mit der Bank zu reden, "um das Stück abzusichern". Zweitens habe er - "weil die Bank gemauert hatte" - seinem Freund Max Warburg den Rat gegeben, mit den Journalisten zu sprechen.

Stimmt dieser Eindruck? Hatten die Journalisten die Bank vor der Veröffentlichung des Artikels also nicht ausreichend mit den Vorwürfen konfrontiert - und damit quasi professionelle Standards verletzt?

NDR-Journalist Oliver Schröm, der Teil des Cum-Ex-Rechercheteams war, um dessen Artikel es geht, weist das auf Twitter zurück. Man habe die Bank früh vor der Veröffentlichung um eine Stellungnahme gebeten. Das NDR-Magazin Panorama habe die Fernsehreportage, die auf den Recherchen basierte, umgehend veröffentlicht. Bei der Zeit aber sei der Beitrag zunächst geschoben worden.

Warum? Von der Zeit heißt es auf Nachfrage: "Es gab noch Recherchebedarf, und wir haben Gespräche in alle Richtungen geführt. Das hat die Geschichte noch stärker gemacht. Im übrigen war das die Entscheidung der Wirtschaftsredaktion", so eine Sprecherin. Josef Joffe sagt der SZ: Er habe gehört, dass von den Rechercheuren ein Fragenkatalog an die Bank geschickt worden war, der aber entweder nicht oder nur ausweichend beantwortet worden war. Jedenfalls seien im Entwurf des Artikels keine Zitate der Warburg-Bank gewesen, so Joffe. Deshalb habe er angemerkt: "Ihr müsst doch mit denen reden." Und dann? Joffe: "Das tat die Truppe dann auch und kam verstimmt zurück, weil die Warburger unkooperativ geantwortet hatten."

Während die Geschichte geschoben wurde, soll es laut Journalist Schröm ein Treffen mit Vertretern der Bank in den Redaktionsräumen der Zeit gegeben haben - das nach Schröms Auffassung zur Einschüchterung der Journalisten dienen sollte. Die Zeit erklärt, das Gespräch sei geführt worden, um Warburg mit den Vorwürfen zu konfrontieren. Eine Sprecherin teilt dazu mit: "Bei diesem Treffen gab es eine Bemerkung, die man als Erpressungsversuch mit Werbegeldern verstehen konnte."

Eine Einflussnahme seitens Joffe weist die Wochenzeitung zurück: "Das würde ihm als Herausgeber auch gar nicht zustehen. Wir haben in insgesamt 15 Ausgaben darüber berichtet." Joffe selbst betont ebenfalls, dass er als Herausgeber der Zeit kein Weisungsrecht besitze. Herausgeber seien auch nicht vertraut mit den Interna eines Ressorts. Zudem: "Der Bericht, der dann abgedruckt wurde, war vernichtend - was nicht auf einen Eingriff schließen lässt." Nein, er glaube nicht, dass er Falsches getan habe, erklärt Joffe. "Mein geleakter Brief war ein letzter Versuch, eine 40 Jahre alte Freundschaft mit Max W. zu retten."

Der 78-Jährige ist allerdings verärgert, dass dieses privates Schreiben an Max Warburg in die Hände von Spiegel-Journalisten gelangt ist. Er vermutet, dass es "wohl von der Staatsanwaltschaft 'durchgestochen' wurde". Joffe: "Das gilt es zu klären."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5586131
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/berj
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.