Süddeutsche Zeitung

Sex-Pistols-Sänger über "Pistol":"Angewidert von dieser Arroganz"

Lesezeit: 2 min

Aus der beliebten Reihe "Johnny Rotten ist wütend" - heute: Danny Boyle plant eine Serie über die "Sex Pistols".

Von Jakob Biazza

Johnny Rotten ist wütend. Das ist an sich noch keine Nachricht - die Wut ist quasi Rottens natürlicher Aggregatzustand. Das verdankt sich einerseits wohl seiner Biografie: Rotten wurde in eine irische Einwandererfamilie hineingeboren, die in schlimmster Armut lebte. Als Siebenjähriger zog er sich beim Spielen in einer von Rattenkot verdreckten Pfütze eine Meningitis zu, die sein Gedächtnis löschte. Rotten fiel ins Koma, und als er wieder erwachte, kannte er seine Eltern nicht mehr und musste das Lesen und Schreiben neu lernen.

Man kann nach alldem - durchaus zu Recht - auf die Idee verfallen, dem Schicksal ab und an den Mittelfinger zu zeigen.

Aber da ist mehr: ein weißglühender Zorn gegen fast alles und so ziemlich jeden. Ein paar Auszüge aus seiner vor ein paar Jahren, pünktlich zum 40. Gründungsjubiläum der Sex Pistols, erschienenen zweiten (!) Autobiografie: Malcolm McLaren, Manager und wohl auch Erfinder der Band? "Kurz gesagt, Malcolm und seine Clique waren Hippie-Kunstwichser." Die Beatles? "(...) seelenlos und selbstverliebt". The Clash: "Schmierentheater", die Songs weitestgehend "heiße Luft". Ennio Morricone: "lachhaftes Zeug!"

So geht das bei Rotten, der bürgerlich John Lydon heißt. Falls er das denn jemals ist, bürgerlich (Vermutung: und wie!). Das Buch hieß denn auch, stimmig und ehrlich: "Anger is an Energy". Wut war für Rotten immer auch Antrieb.

"Meiner Meinung nach ist dieses Projekt nicht mehr als Gift."

Aktuell treibt ihn die Erregung über eine geplante TV-Serie an: Pistol soll sechs Folgen umfassen und auf der Autobiografie des Sex-Pistols-Gitarristen Steve Jones basieren. Der US-Sender FX hatte vergangene Woche bekannt gegeben, dass Regisseur Danny Boyle ( Trainspotting) die Geschichte der Band verfilmen wird - was ja durchaus passen könnte. Aber: "Niemand hat sich die Mühe gemacht, mich in irgendeiner Weise einzubinden." Sagte Rotten, für seine Verhältnisse eh moderat, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Und: "Ich bin zutiefst beleidigt von diesem Projekt." Er sei außerdem "schockiert, dass sie sogar schon Schauspieler für mich casten, ohne Rücksprache oder jegliche Kommunikation. Meiner Meinung nach ist dieses Projekt nicht mehr als Gift."

Dann wurde er persönlicher. Bandkollege Jones? "Er ist hinter dem Geld her!" Regisseur Boyle? "Ich bin schockiert und enttäuscht, dass Mr. Boyle so ein Projekt ohne vollständige Zustimmung angenommen hat."

Auf Dpa-Anfrage teilte eine Sprecherin für FX mit, sowohl die Filmemacher als auch Boyle hätten Lydons Management kontaktiert, "um ihn auf die Show aufmerksam zu machen". Lydon, der nach eigenen Angaben erst vor Kurzem von Pistol erfahren hat, fühlt sich aber übergangen. "Mal sehen, ob sie jetzt noch ankommen und mit uns sprechen, aber bis jetzt bin ich absolut angewidert von dieser Arroganz und Ignoranz."

Ende vergangenen Jahres ist übrigens Lydons - wenn wir uns nicht verzählt haben dritte - Autobiographie "I Could Be Wrong, I Could Be Right" erschienen. Im britischen Observer bekannte sich der einstige Obama-Unterstützer damals von Herzen zu Donald Trump - was natürlich viel Aufmerksamkeit erregte. Womöglich ist der Sänger also doch auch noch von etwas anderem angetrieben als nur Wut.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5179332
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/dpa/biaz
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.