Süddeutsche Zeitung

"Kidding" auf Sky:Jim Carrey hat seine perfekte Rolle gefunden

  • Auf Sky ist die neue Serie "Kidding" von Jim Carey und Michel Gondry zu sehen.
  • Sie handelt vom Moderator Jeff Piccirillo, der seit 30 Jahren als Mr. Pickles im Kinderfernsehen auftritt und mit seiner Rolle verschmolzen ist. Doch eine Sache kann selbst Mr. Pickles nicht weglächeln: Einer von Jeffs Söhnen starb bei einem Unfall.
  • Jim Carreys letzte Spielfilme waren belanglos und schnell vergessen. Bei Kidding ist das anders.

Von Benedikt Frank

Mr. Pickles ist der freundlichste Mensch der Welt. Sogar Peter Lustig kann nicht annähernd so sanftmütig gewesen sein. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen tritt Mr. Pickles seit 30 Jahren als ein pädagogisches Über-Ich neben Puppen und mit viel Gesang auf. Hinter der Maske steckt Jeff Piccirillo. Beide werden von Jim Carrey gespielt, dessen Karriere als Grimassenschneider begann, bevor er sich auch ernstere Rollen erkämpfte. Nun stellt er also beides dar, Maske und Maskierten. Doch wo liegt die Grenze? Auch im Privatleben ist Jeff ganz der Kindermoderator, sein Wohlstand finanziert eine obskure Extremphilanthropie. Nur eine Sache kann selbst Mr. Pickles nicht weglächeln: Einer von Jeffs Söhnen starb bei einem Unfall.

"Musst du immer mit Leuten reden, als wären sie Vierjährige?", fragt Jeff sein verbliebener pubertierender Sohn, der lieber kifft und randaliert, als dem Vorbild seines Vaters nachzueifern. Eine rhetorische Frage, denn Jeff kann es wirklich nicht anders. Er ist mit seiner Figur so fest verschmolzen, dass er immer das Gute beschwören muss. Der Sohn wirft ihm vor, auszusehen wie der Busfahrer von Rosa Parks. Jeff überhört die Beleidigung und lobt ihn für die historische Referenz. Er diskutiert mit seiner Frau, ob man nach dem Tod des Sohnes Weihnachten feiern kann und fährt kurz darauf zur feierlichen Einweihung eines Christbaums als Mr. Pickles. Die Serie Kidding beginnt, als er und seine Frau schon getrennt leben. Und bald wird klar: Auch Jeffs Contenance ist endlich.

Jim Carreys letzte Spielfilme waren belanglos und schnell vergessen. Bei Kidding ist das anders und Carrey die perfekte Besetzung für Jeff beziehungsweise Mr. Pickles. Bereits als ausführender Produzent der Serie I'm dying up here hatte sich der Schauspieler mit den Schattenseiten des Showgeschäfts beschäftigt. Nun spielt er die Hauptrolle und ist Koproduzent einer Serie, die den Zynismus der Unterhaltungsbranche noch viel weiter zuspitzt. Er steht für Regisseur Michel Gondry vor der Kamera, mit dem er bereits bei Vergiss mein nicht! (Eternal Sunshine of the Spotless Mind) zusammenarbeitete, einem der Filme, in denen Carrey seine ernste Seite zeigen konnte und vielleicht der beste Carrey-Film überhaupt. Er spielt Mr. Pickles als einen Naivling wie den dauergefilmten Truman Burbank aus der Truman Show und bringt die Erfahrung seiner Rolle als Entertainer Andy Kaufmann in Der Mondmann ein, an der er einmal fast verrückt geworden wäre. Wenn es etwas gibt, das Carrey besonders gut kann, außer die exzentrischsten Grimassen der Branche zu schneiden, dann ist es, Charaktere zu verkörpern, die als öffentliche Persönlichkeiten um ein eigenes Leben ringen.

Jeff ist natürlich nicht nur der Strahlemann aus dem Kinderfernsehen. Er möchte den Tod seines Sohns nicht mehr ausblenden, ganz im Gegenteil: Er möchte ihn als Mr. Pickles im Fernsehen thematisieren. "Brauchen wir noch eine Show über Farben?", fragt er seinen Vater. Die Kinder wüssten doch, dass der Himmel blau ist, aber sie müssten lernen, was passiert, wenn er herunterfällt. Sein Vater verhindert die Ausstrahlung, denn er befürchtet, das 100 Millionen Dollar schwere Familienunternehmen um Mr. Pickles könnte darunter leiden, um nicht zu sagen: in seinem Bestand gefährdet sein. Im Hintergrund arbeitet er daran, Jeff die Figur zu entreißen. Damit die Show und damit das Geschäft weitergeht, falls dieser unter dem emotionalen Druck zerbricht.

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Quelle:
SZ vom 04.12.2018/jlag
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