US-Fernsehen:Das Kinderbuchgenie, der Dauergast und der Computer-Loser

Lesezeit: 4 Min.

Von links: Rutter, Jennings und Holzhauer, die drei besten Kandidaten der US-Quiz-Show Jeopardy!. (Foto: Eric McCandless/AP)
  • In Zeiten des nonlinearen Fernsehens haben althergebrachte TV-Formate häufig niedrige Einschaltquoten.
  • Bei der Quizshow Jeopardy! hat man sich deswegen entschieden, die besten Kandidaten der Sendung gegeneinander antreten zu lassen.
  • Beworben werden die Sondersendungen, als ginge es um ein Großereignis wie den Super Bowl - tatsächlich geht es aber auch um den mutmaßlichen Abschied des langjährigen Moderators.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die Antwort: weil sie nicht wissen, wie es ausgeht. Die Frage: Warum gehen die Leute ins Stadion? Damit ist das Konzept von Sportereignissen, aber auch der Quiz-Sendung Jeopardy! erklärt, di e in d en USA seit 55 Jahren ausgestrahlt wird: Die Kandidaten müssen ihre Antworten zu den Hinweisen jeweils als Frag e formulieren. Bei Jeopardy ! läuft es also grundsätzlich anders, als bei anderen Quizshows. Nur bei einer Sache nicht, und die ist die Wichtigste: Die Leute schalten heutzutage den Fernseher nur noch dann live ein, wenn sie nicht wissen, wie es ausgeht.

Das ist vermutlich auch der Grund, warum der TV-Sender ABC seit Dienstag zur besten Sendezeit den Wettbewerb Jeopardy! The Greatest of All Time zeigt, also die Suche nach dem besten Jeopardy!-Kandidaten der Geschichte.

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Die Sendung gehört längst zum Kanon der Unterhaltungsbranche, nicht nur in den USA. In Deutschland gab es in den Neunzigerjahren eine Variante mit dem Titel Risiko! mit Moderator Hans-Jürgen Bäumler und später Jeopardy! unter anderem mit Frank Elstner. In den USA ist das Quiz Teil der Popkultur; der Jeopardy!-Jingle wird stets dann gespielt, wenn jemand auf was warten muss.

Aber wie so viele TV-Formate leidet auch dieses unter den Folgen der digitalen Revolution: Der Gewöhnung an das Wann-immer-wo-immer-Gucken, dem damit verbundenen Verhalten, das mit dem Live-Gucken immer öfter sein zu lassen und dem Resultat, dass Einschaltquoten sowie Werbeeinnahmen in den Keller gehen.

Die Kandidaten werden zu Athleten stilisiert

Wer erreichen will, dass sich die Leute zu einer bestimmten Zeit vor dem Fernseher parken, um Dinge zu sehen, von denen sie noch nicht wissen, wie sie ausgehen, der braucht zum Beispiel teure Rechte an bedeutsamen Sportereignissen. Oder er muss selbst so ein Event kreieren - und das führt bei Jeopardy! zu dem aktuellen Treffen der besten Kandidaten, die um das Siegerpreisgeld von einer Million Dollar antreten werden. Die Unterlegenen erhalten jeweils 250 000 Dollar. Die anstehenden Sendungen wurden vorab beworben, als ginge es um das Football-Finale Super Bowl, die Kandidaten zu Athleten stilisiert, die man unbedingt anfeuern muss.

James Holzhauer hatte im vergangenen Jahr für Aufregung gesorgt, weil er nicht nur 97 Prozent aller Fragen richtig beantwortet und 32 Sendungen nacheinander gewonnen hatte, sondern weil er andauernd volles Risiko gespielt hatte. Gewöhnlich wählen Kandidaten bei den jeweiligen Kategorien zunächst eine leichtere Frage mit niedrigem Wert, um sich daran zu steigern. Die Umschreibungen der Kategorien sind oft kryptisch, bei "Patriot Games" etwa ging es nicht um Patriotismus oder den gleichnamigen Film mit Harrison Ford oder die TV-Serie, sondern um Spiele des Footballvereins New England Patriots.

Holzhauer, 35, wählt immer die kniffligste Frage zuerst, in Risikorunden setzte er stets sein ganzes Geld - bis auf jene Sendung, als er zum ersten Mal den Tagesrekord aufstellte: Er setzte exakt so viel, dass nach der US-Schreibweise der Geburtstag seiner Tochter herauskam, der 9. November 2011, also 110 914 Dollar. Insgesamt gewann er knapp 2,5 Millionen Dollar. Er hatte sich eigenen Angaben zufolge mit Kinderbüchern auf die Sendung vorbereitet - weil darin enormes Wissen kompakt aufbereitet werde.

Die Leute rätseln noch immer, warum seine Glückssträhne ausgerechnet beim 33. Auftritt endete, und warum er danach fröhlich, ja fast erleichtert wirkte - Holzhauer hätte noch zwei andere Rekorde brechen können. Den einen hält Ken Jennings, 45, der 2004 eine Serie von 74 Siegen nacheinander hingelegt hatte und derart oft im Studio im kalifornischen Culver City gewesen ist, dass ihn sein damals zwei Jahre alter Sohn nur aus dem TV kannte, Bei der Rückkehr als reicher Mann mit 3,7 Millionen Dollar wurde er angeblich nicht als "Dad", sondern "Mister Jennings von Jeopardy!" begrüßt. Berühmt wurde Jennings später dadurch, dass er im Jahr 2011 gemeinsam mit Brad Rutter gegen den Computer Watson antrat - und deutlich verlor.

Die Idee: Für jeden Zuschauer soll es eine Identifikationsfigur geben

Rutter, 41, ist der dritte Kandidat bei The Greatest of All Time, er hält mit 4 688 436 Dollar den Rekord für die höchste Gesamtgewinnsumme und ist der einzige, der bei Jeopardy! noch nie gegen einen Menschen verloren hat: Er hörte im Jahr 2000 den damaligen Regeln zufolge nach dem fünften Sieg nacheinander auf, kehrte danach aber immer wieder zu Spezial-Events zurück, wie dem "Tournament of Champions". Rutter trat in anderen Quizsendungen wie etwa Million Dollar Mind Game oder 1 vs 100 auf und gilt mit mehr als fünf Millionen Dollar Preisgeld als Teilnehmer mit den höchsten Einnahmen der amerikanischen Quizshow-Geschichte. Seine einzige Niederlage bislang: die gegen den unmenschlichen Watson.

"Das sind die nachweislich besten Kandidaten der Geschichte, nun suchen wir den Besten der Besten", sagt Alex Trebek, der Jeopardy! seit dem Jahr 1984 moderiert und durch knapp 8000 Folgen geführt hat. Er kämpft derzeit gegen eine schwere Form von Krebs, weshalb spekuliert wird, dass dieses Duell der Besten die letzten Sendungen für den 79 Jahre alten Trebek sein könnten. "Ich weiß schon, was ich bei meinem letzten Auftritt sagen werde", kündigt er an: "Alles, was ich will: 30 Sekunden Sendezeit am Ende."

The Greatest of All Time wird nach dem Auftakt am Dienstagabend an den Tagen darauf so lange fortgesetzt, bis einer drei Teilnehmer gewinnt. Das Format wird dadurch beworben, dass die Leute nicht nur bei den laut Sender "extrem schwierigen Fragen" miträtseln, sondern auch mit ihrem Favoriten fiebern sollen: mit dem Zocker Holzhauer, dem abgeklärten Rutter oder mit Jennings, der seine Konkurrenten gerne mal mit ungewöhnlichen Entscheidungen aus der Ruhe bringt. Für jeden Zuschauer soll einer dabei sein.

Sie hoffen auf besondere Momente und möglichst viele Zuschauer beim Sender ABC. Deshalb ist es ein bisschen schade, dass John Carpenter nicht dabei ist - der ohne jeden Zweifel coolste Quiz-Kandidat aller Zeiten. Er war im Jahr 1999 der erste, der bei der amerikanischen Ausgabe von Wer wird Millionär? die Million gewann. Bei der letzten Frage nutzte er den Telefonjoker. Er sagte zu seinem Vater Tom: "Ich brauche deine Hilfe eigentlich nicht - ich wollte dir nur sagen, dass ich die Million gewinnen werde." Er wusste, wie es ausgehen würde.

© SZ vom 08.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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