Berichterstattung über Ehe-Aus:Scham beiseite

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"Jegliche Peinlichkeiten für mich sind nebensächlich": Jeff Bezos geht gegen den Enquirer vor.

(Foto: Phillip Faraone/Getty)

Der Amazon-Chef Jeff Bezos wirft dem "National Enquirer" Erpressung vor. Das Blatt ist wohl im Besitz privater Details. Zieht auch der US-Präsident die Strippen? Über einen schmutzigen Medienkrieg.

Von Jürgen Schmieder und Christian Zaschke

Jeff Bezos, Chef des Internet-Versandhandels Amazon und reichster Mann der Welt, hat der US-Illustrierten The National Enquirer vorgeworfen, ihn erpressen zu wollen. Das Boulevardmagazin, das wöchentlich landesweit mit einer Auflage von einer Million Exemplaren erscheint, ist offenbar im Besitz von Fotos, die Bezos, wie es heißt, "unter der Gürtellinie" zeigen. Er hat seine Vorwürfe am Donnerstagnachmittag in einem Eintrag auf der Online-Plattform Medium öffentlich gemacht. Hintergrund ist, dass der Enquirer Bezos am 7. Januar darüber informiert hatte, in der Ausgabe vom 10. Januar über dessen Affäre mit Lauren Sanchez berichten zu wollen, einer ehemaligen TV-Moderatorin. Einen Tag vor der angekündigten Veröffentlichung erklärte Bezos, dass er und seine Ehefrau MacKenzie sich nach 25 Jahren getrennt hätten. Da das Paar keinen Ehevertrag hatte, könnten MacKenzie Bezos Dutzende Milliarden Dollar zustehen.

Auf elf Seiten wurde die Affäre ausführlich, man kann fast sagen: genüsslich dokumentiert

Im Enquirer erschien dann tatsächlich eine große Geschichte. Auf elf Seiten wurde die Affäre des Milliardärs mit der Moderatorin ausführlich, man kann fast sagen: genüsslich dokumentiert. Es sei die größte Ermittlung in der Geschichte der Zeitschrift, gab der Enquirer an, man sei dem Paar über fünf Staaten und 40 000 Meilen gefolgt. Zu dem Text erschienen Fotos, die das Paar gemeinsam zeigen - allerdings nicht die vermeintlich anrüchigen Bilder. Diese habe man "aus Respekt vor der Privatsphäre des Milliardärs" nicht veröffentlicht, teilte die Zeitschrift mit.

Bezos vermutet, dass die Geschichte über seine Affäre politisch motiviert war. Er setzte Ermittler darauf an, die Hintergründe zu klären. Bezos ist auch Besitzer der Washington Post, über dessen kritische Berichterstattung sich US-Präsident Donald Trump regelmäßig ärgert. Der Chef des Verlags American Media, der den Enquirer herausgibt, ist David Pecker, ein Freund von Trump. "Dass ich die Washington Post besitze, macht die Dinge für mich komplexer. Es ist unvermeidbar, dass manche mächtige Menschen, über die die Post berichtet, mich als ihren Feind ansehen", schreibt Bezos: "Präsident Trump ist einer dieser Menschen. Zudem ist es in manchen Kreisen unpopulär, dass die Post so unnachgiebig über den Mord an ihrem Kolumnisten Jamal Kashoggi berichtet." Dass Bezos eine Verbindung zu Kashoggi herstellt, hat einen Grund. Die Post geht davon aus, dass der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman dessen Ermordung angeordnet hat. Mit bin Salman wiederum unterhält der Verlag American Media Geschäftsbeziehungen. Im vergangenen April gab er ein 97 Seiten starkes Magazin namens The New Kingdom heraus, in dem es um die Großartigkeit Saudi-Arabiens und des Kronprinzen geht. Als Verlagschef Pecker einmal zum Dinner ins Weiße Haus eingeladen wurde, soll er einen Gast mit Verbindungen zur saudischen Königsfamilie mitgebracht haben. Bezos interessiert nun besonders, wie der Enquirer in den Besitz von Textnachrichten gekommen ist, die er an Sanchez geschickt hat. Und natürlich, wie er in Besitz der Nacktfotos gelangt ist. Er werde keine Kosten scheuen, um die wahren Beweggründe des Blattes aufzudecken, hat Bezos wissen lassen, der über ein Vermögen von rund 119 Milliarden Euro verfügt.

Der Verlag American Media reagierte, indem er Bezos über einen Anwalt mitteilte, dass der Enquirer die Fotos veröffentlichen werde, wenn Bezos nicht öffentlich erkläre, dass die Enthüllung seiner Affäre durch das Blatt nicht politisch motiviert gewesen sei. Dieses Risiko nimmt Bezos nun in Kauf. Er ist in die Offensive gegangen.

Auf der Plattform Medium schrieb er: "Anstatt vor dieser Erpressung klein beizugeben, habe ich mich dazu entschieden, genau das zu veröffentlichen, was sie mir geschickt haben, auch wenn das für mich persönlichen Schaden und Beschämung bedeutet. Jegliche Peinlichkeiten für mich sind nebensächlich, weil es um eine wichtigere Sache geht." Sein Sicherheitschef Gavin de Becker leitet die Ermittlungen in dieser "wichtigen Sache". De Becker ist in seinem Feld ein erfahrener Mann, er hat auch schon für Hollywood-Stars wie Olivia Newton-John und Michael J. Fox sowie für die Familie des vormaligen Präsidenten Ronald Reagan gearbeitet. Bezos schreibt weiter: "Sie würden diese Fotos veröffentlichen, sollten Gavin de Becker und ich nicht dieses lügnerische Statement abgeben, dass wir ,kein Wissen davon oder Grund zur Annahme dafür haben, dass die Berichterstattung von American Media politisch motiviert oder von politischen Mächten beeinflusst sei.'"

Bezos vermutet, dass Pecker seinem Freund im Weißen Haus wieder einen Gefallen getan hat

Das führt erneut zu Präsident Trump, der wieder und wieder auf Twitter gegen die Washington Post und ihren Eigentümer gewettert hat. Anlässlich der Trennung nannte er Bezos "Jeff Bozo". Zwar ist Orthographie nicht die Stärke des Präsidenten, und auch die richtige Schreibung von Namen ist nicht unbedingt seine Sache (es ist ihm schon gelungen, auf Twitter den Namen seiner Ehefrau Melania falsch zu schreiben). Diesmal aber hatte er den Namen mit Absicht falsch geschrieben, denn "Bozo" heißt Depp. Der ganze Tweet las sich so: "Es tut mir sehr leid zu hören, dass Jeff Bozo von einem Konkurrenten zu Fall gebracht wird, dessen Berichterstattung, wie ich glaube, weitaus zutreffender ist als die seiner Lobby-Zeitung, der Amazon Washington Post. Hoffentlich wird die Zeitung bald in bessere und verantwortungsbewusstere Hände übergeben!" Dass Trump die Ansicht vertritt, die Berichterstattung der Illustrierten sei zutreffender als die der Washington Post, dürfte daran liegen, dass David Pecker und der Enquirer ihm im Wahlkampf einen großen Gefallen getan haben. Das Blatt kaufte die Rechte an der Geschichte des ehemaligen Playboy-Models Karen McDougal, mit der Trump von Juni 2006 bis April 2007 eine Affäre hatte. Das war gut ein Jahr, nachdem er Melania geheiratet hatte. Eine Veröffentlichung dieser Geschichte mitten im Wahlkampf hätte für Trump sehr unangenehm werden können. Der Enquirer aber zahlte McDougal 150 000 Dollar für ihre Geschichte, um sie dann gerade nicht zu veröffentlichen. "Catch and kill" heißt das in der Branche: einfangen und töten. Bezos vermutet, dass David Pecker seinem Freund im Weißen Haus nun wieder einen Gefallen getan hat.

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