Jauch-Talk zum Krieg in der Ukraine:Europas Zukunft am "seidenen Faden"

Günther Jauch

Wie groß ist die Gefahr eines neuen Kalten Krieges zwischen Ost und West? Über diese und andere Fragen zum Ukraine-Konflikt diskutierte Günther Jauch mit seinen Gästen.

(Foto: dpa/picture-alliance)
  • Günther Jauch widmet sich in seiner Sendung "Schicksalstage in Europa - auf wen hört Putin noch?" dem Ukraine-Konflikt.
  • Einig sind sich alle Talk-Teilnehmer, dass der Konflikt möglichst schnell beendet werden muss.
  • EU-Parlamentspräsident Martin Schulz setzt weiterhin voll auf Diplomatie, der ehemalige US-Botschafter John Kornblum verspricht sich hingegen nicht allzu viel von den Bemühungen der EU.
  • Ex-Generalinspekteur Harald Kujat geht davon aus, dass Russland den Konflikt innerhalb von 48 Stunden in seinem Sinne militärisch lösen könnte.

Von Karin Janker

Verteidigt die EU ihre Werte oder ihre Interessen im Ringen um eine Lösung des Konflikts in der Ukraine? In dieser Frage prallen in Günther Jauchs Sendung moralische Argumente auf pragmatische - und die Perspektive der EU auf die der USA. "Schicksalstage in Europa - auf wen hört Putin noch?", so der Titel der Diskussionsrunde. Die ist sich zumindest in einem Punkt einig: "In der Ukraine sterben jeden Tag Menschen, es geht darum, das zu beenden." So drückt es die Journalistin und ehemalige Russland-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz aus, die wegen ihrer milden Sicht auf Putin umstritten ist. Sie erntet dafür nicht nur Beifall vom Publikum, sondern auch einvernehmliches Kopfnicken von den anderen Gästen der Sendung.

Die ist von der Redaktion angesichts des undurchsichtigen Konflikts nach recht durchsichtigen Kriterien besetzt worden. Neben der früheren ARD-Korrespondentin, die der russischen Position am deutlichsten so etwas wie Verständnis entgegenbringt, sitzen: leider wieder kein Russe und kein Ukrainer. Stattdessen: Harald Kujat, General a. D., der für "vertrauensbildende militärische Maßnahmen" wirbt. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD), der vorsichtig optimistisch an eine "ganz große Chance" für die Diplomatie glaubt. John Kornblum, Ex-US-Botschafter in Berlin, der Europa warnt, dass seine Zukunft "an diesem seidenen Faden" hänge.

Kornblum: Die EU muss den Konflikt in der Ukraine ernster nehmen

Geht es der EU also vorrangig um ihre Wertvorstellungen oder um ihre Interessen, wenn sie sich um eine Lösung des Konflikts in der Ukraine bemüht? Und welchen Unterschied macht das für das weitere Vorgehen? Für eine pragmatische Antwort stehen der ehemalige Bundeswehr-Generalinspekteur Kujat und Journalistin Krone-Schmalz: Die EU soll dazu stehen, dass es ihr um sicherheitspolitische und auch um wirtschaftliche Interessen geht. Ohne eine an Werten orientierte Außenpolitik "wie eine Monstranz vor sich herzutragen", lasse sich der Konflikt am ehesten beenden, sagt Kujat.

Schulz und Kornblum zeigen sich zwar in vielen anderen Dingen uneins, nicht aber bei den Werten, die es in der Ukraine zu verteidigen gelte: Dass die baltischen Staaten heute demokratisch und EU-Mitglieder sind, sei eine Errungenschaft, auf die man stolz sein könne, sagt Kornblum. Im Gegenzug müsse die EU den Konflikt in der Ukraine ernster nehmen, als sie das bisher tut.

Schulz verteidigt eine diplomatische Lösung

Europapolitiker Schulz zeigt, wie ernst es ihm ist mit der Diplomatie: "Ich verhandle bis zum letzten Punkt, damit es keinen Krieg gibt." Und weil in der Ukraine längst Tausende Menschen ums Leben gekommen sind, stellt er klar, welche militärische Auseinandersetzung er meint: keinen Krieg mit Russland.

Schulz verteidigt eine diplomatische Lösung - und begeistert sich für die Verhandlungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande, die am Donnerstag erst mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, am Freitag dann mit Russlands Präsident Wladimir Putin gesprochen hatten und ein neues Treffen für Mittwoch in Minsk vereinbart haben.

Schulz' Hoffnung, dass ein modifiziertes Minsker Abkommen Frieden in die Region bringen könnte, erteilt Alt-Diplomat Kornblum allerdings eine Absage: Die EU habe ihre Verhandlungsposition selbst geschwächt. Man wolle keine Sanktionen, keine Waffenlieferungen, keinen Krieg mit Russland - damit seien alle Druckmittel aus der Hand, mit denen - und nur mit denen - man Putin zur Kooperation zwingen könne, so der US-Diplomat.

Kornblum scheint fast amüsiert über die Bemühungen aus Deutschland und Frankreich: Es sei schön, dass Europa verhandle, aber die notwendige Stärke liege wohl doch eher in Washington. Und überhaupt seien in der globalisierten Welt ohnehin alle Nachbarn - und damit auch in der Verantwortung, nach einer Lösung des Konflikts zu suchen. SPD-Politiker Schulz aber bleibt bei seiner Meinung: "Sinnvoller ist es, Europäer lösen dieses Problem untereinander", sagt er und meint damit EU und Russland. Klare Absage an eine Einmischung der USA.

Amerikanische Lösung oder die Kraft der Diplomatie

So glaubt der eine an eine amerikanische Lösung, der andere an die Kraft der Diplomatie. Waffenlieferungen an die Ukraine befürwortet keiner in der Runde. Im Gegenteil: "Sie könnten die ukrainische Armee womöglich dazu verführen, zu glauben, sie könne den Konflikt militärisch lösen", sagt Schulz. Auf diese Weise den Blutzoll erhöhen zu wollen, sei zynisch.

Auch Harald Kujat macht klar: Eine militärische Lösung gebe es nicht - zumindest nicht für den Westen. "Wenn Russland wollte, wäre der Konflikt im Osten der Ukraine binnen 48 Stunden beendet - in Putins Sinne", so der Ex-Generalinspekteur. Dem mit Waffenlieferungen an die Gegenseite begegnen zu wollen, wie es jüngst der republikanische US-Senator John McCain gefordert hatte, sei schlicht aussichtslos.

Kujat, ehemals Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, betont aber auch, dass es keinerlei Erkenntnisse darüber gebe, dass in der Ukraine reguläre russische Verbände kämpften. Es handle sich lediglich um einzelne Soldaten aus Russland. "Was wir hören ist Propaganda - von beiden Seiten", so Kujat.

Dass Moderator Günther Jauch während der einstündige Sendung so selten eingreift, weder schlichten noch die Diskussion befeuern muss, sondern sie nur sanft mit gezielten Fragen lenkt, spricht für den Ernst des Themas und die Brisanz der Lage, in der sich nun die Hoffnungen der Werte- wie der Interessensverfechter auf Mittwoch konzentrieren, wenn in Minsk Putin, Poroschenko, Merkel und Hollande zusammenkommen.

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