Jauch-Sendung zum "Tatort":Einfach nur vorgeführt

Ambitioniert hat Günther Jauch nach dem "Tatort" eine illustre Runde zum Thema Jugendgewalt in seiner Talkshow versammelt, mit der er möglichst alle Sichtweisen abdecken wollte - auch die der Täter. An die kam der Zuschauer aber leider nicht richtig heran.

Von Carolin Gasteiger

Mit seiner Diskussionsrunde wollte Günther Jauch am Sonntagabend an den bewegenden Berliner Tatort anknüpfen. In dem Krimi, der an den Fall Dominik Brunner von 2009 angelehnt war, prügeln zwei Jugendliche einen Mann in der U-Bahn tot. Unter das Motto "Tatort U-Bahnhof - Machtlos gegen Jugendgewalt" stellte Jauch dann auch seine Sendung.

In der Runde saßen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, Jugendrichter Andreas Müller - von Bild zum "härtestem Richter Deutschlands" ernannt, eine Sozialpädagogin, ein ehemaliger Kriminalkommissar und ein Gewaltopfer. Täter waren nicht ins Studio geladen, deren Sichtweise holte sich Jauch per Liveschalte in die Jugendstrafanstalt in die Sendung.

In der Jugendstrafanstalt Ichtershausen in Thüringen hielten sich die jungen Straftäter David S. und Marco O. bereit, um Rede und Antwort zu stehen. Warum sie in Haft seien, wollte Jauch wissen. Und wozu sie verurteilt wurden.

"Das Gespräch mit den beiden jungen Männern diente dazu, zu beleuchten, warum und unter welchen Umständen Jugendliche gewalttätig werden", sagt Jauchs Sprecherin Anabel Bermejo. Aber genau diese Frage konnten die beiden Insassen nicht beantworten. So erklärte David S., er habe in dem Heim im Gegensatz zu anderen kein Handy besessen, also nahm er es sich eben mit Gewalt. Eine einleuchtende Erklärung, warum er ohne nachzudenken gewalttätig wurde, war das nicht.

Erkenntnisgewinn? Marginal

Zum Tatort durften sich die beiden jungen Männer nach Angaben des thüringischen Justizministeriums, das die Schaltung erlaubt hatte, nicht äußern, ebenso wenig zu Persönlichkeitsfragen. Angesichts dessen mutete es jedoch bizarr an, wie David S. über seinen Familienstand und Wohnort erzählte - und damit auch nach seiner Entlassung identifizierbar wurde. Ob er bald wieder in Ichtershausen zu sehen sein werde, fragte Jauch. Er habe keine Lust mehr auf Straftaten und darauf, als Knacki abgestempelt zu werden, entgegnete der Jugendliche. Und schon war die Schaltung auch wieder vorbei.

Der Erkenntnisgewinn? Marginal. Das Justizministerium verfolge mit dem Fernsehauftritt das Ziel, "das Verständnis und die Akzeptanz in der Bevölkerung für die schwierige Arbeit, die dort zu leisten ist, zu erhöhen", heißt es in einem Statement. Ein schönes Ziel, aber leider wurde es nicht erreicht.

Jauchs Ansinnen, bei dem Thema Jugendgewalt auch die Täter miteinzubeziehen, ist an sich lobenswert, man hätte sich die beiden allerdings in die Diskussionsrunde gewünscht. Aber das hatte die Jugendstrafanstalt untersagt. Und betont: "Die Bedingungen der Gefangenen und der Justizverwaltung für den Auftritt wurden von der Redaktion von Günther Jauch akzeptiert - und am Abend auch eingehalten." Am Ende hat Jauch die beiden Häftlinge aber nur vorgeführt.

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