Promi Big Brother:Alleingelassen im Container

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Ahnungslos bis zum Staffelende: Janine Pink, eine Schauspielerin und Teilnehmerin von "Promi Big Brother". (Foto: Marc Rehbeck/SAT.1)

Janine Pink erfährt während des Drehs von "Promi Big Brother" nichts vom Tod eines Freundes. Über die Problematik des Moments, wenn Reality-Shows einmal wirklich mit der Realität konfrontiert sind.

Von Theresa Hein

Für viele zählt Big Brother zum Schlimmsten, was das Fernsehen zu bieten hat. Weil es in der Sendung um nichts anderes geht als darum, Menschen dabei zuzusehen, wie sie freiwillig und programmatisch ihre Würde verlieren. Andere Reality-Sendungen erwecken immerhin noch den Anschein, es gehe um mindestens ein weiteres Thema: Bei Germany's Next Topmodel wird die Modebranche vorgeschoben, bei Sendungen wie Der Bachelor die Partnersuche.

An diesem Freitagabend lief auf Sat 1 die letzte Folge der aktuellen Promi Big Brother-Staffel über die Bildschirme (ein Spin-off, in dem sich eher weniger bekannte Prominente überwachen lassen). Ganz unvorhergesehen ist nun die Realität über die Reality-Show hereingebrochen und zeigt einmal mehr auf, wie problematisch sich das Sendekonzept für die Teilnehmer entwickeln kann.

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In der vergangenen Woche ist Ingo Kantorek, ein Freund und Schauspielkollege von Janine Pink, einer 32-jährigen Schauspielerin und Teilnehmerin der aktuellen Staffel, bei einem Unfall ums Leben gekommen. Der Sender Sat 1 und das Management von Janine Pink beschlossen jedoch, angeblich in Absprache mit der Familie der Schauspielerin, diese nicht über den Tod ihres ehemaligen Kollegen zu informieren - damit sie an der Serie bis zum Finale teilnehmen könne. Das Dilemma: Die Schauspielerin saß noch bis Freitagabend im Reality-Container, ohne zu wissen, dass ein langjähriger Kollege ums Leben gekommen ist. Die Zuschauer wussten darüber sehr wohl Bescheid, und zwar am Ende gut eine Woche früher als die vom Tod eines Freundes betroffene Schauspielerin selbst. Entsprechend konnten die meisten kaum anders, als beim Finale Pinks Verhalten vor dieser Folie zu sehen.

Das Konzept der Serie - das zur Erinnerung - besteht darin, dass ein paar Freiwillige über Wochen oder Monate in einem Fernsehstudio ("Container") rund um die Uhr mit einer Kamera überwacht werden, abgeschottet von der Außenwelt, die Chancen, würdevoll aus dieser Sendung zu gehen, sind gering. Zudem müssen groteske Spiele gespielt und Wettbewerbe gewonnen werden. Die Fernsehzuschauer entscheiden letztlich darüber, wer am Ende im "Container" bleiben darf. Im Fernsehen übertragen wird ein Zusammenschnitt des Ganzen, in der Regel ein Worst-of: Beziehungskrisen, Nacktbaden, Streit, Lästereien, Körperhygiene, Launen, Langeweile. Mobbing ist das alles überragende Spielprinzip.

Big Brother war schon immer moralisch grenzwertiges Fernsehen. Als die erste Staffel im Jahr 2000 in Deutschland ausgestrahlt wurde, war der Aufschrei groß, inzwischen scheint man sich daran gewöhnt zu haben.

Eine häufig betonte Regel lautet, dass die Bewohner das Haus jederzeit verlassen können

Es ist egal, wie das Finale der Staffel "Promi Big Brother" ausgegangen ist. Unabhängig davon bleibt die Entscheidung von Management und Sender, die Schauspielerin nicht über den Tod des Kollegen zu informieren auch moralisch grenzwertig. Denn eine häufig betonte Regel des Big-Brother-Spiels besteht darin, dass es den Bewohnern freisteht, das Haus jederzeit verlassen zu können. Nach Ansicht des Theologieprofessors Thomas Bohrmann ist diese Freiheit jedoch eingeschränkt: "Um von dieser Regel Gebrauch zu machen, ist ebenfalls vollkommenes Wissen über sämtliche Ereignisse um das Spiel notwendig; dieses Wissen betrifft besonders die Geschehnisse außerhalb des Containers (...)", schrieb Bohrmann in einer medienethischen Betrachtung der Sendung. Bohrmanns Bedenken wiegen in Zeiten von Smartphones und Internet besonders schwer. Im Fall der Kandidatin Janine Pink wurde im Internet bereits vom Tod ihres Kollegen berichtet. Sie selbst wusste von nichts - und konnte sich somit nicht selbständig darüber klar werden, ob sie das Spiel vorzeitig abbrechen möchte.

Das Management der Schauspielerin und Sat 1 erklärten, die Bewohner von Promi Big Brother würden nur bei Todesfällen im engsten Familienkreis informiert. Außerdem sagte ein Sprecher des Senders, es gebe einen "Big-Brother-Psychologen", der "während und nach der Staffel Ansprechpartner" für die Bewohner sei. Sat 1 erklärt weiter, dass man "aus Gründen der Pietät gegenüber Familie und Angehörigen" der falsche Ansprechpartner in der Sache sei. Big Brother hat immer noch vergleichsweise hohe Einschaltquoten, vermutlich wird die Serie, wie andere nach dem gleichen Konzept, wiederholt werden. Was nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, ist die Entscheidung, welche die Verantwortlichen in einer derart privaten Sache über den Kopf einer Teilnehmerin getroffen haben - aus keinem anderen nachvollziehbaren Grund als dem, dass die "Show" weitergehen musste.

© SZ vom 24.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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