Süddeutsche Zeitung

Medienkolumne "Abspann" zu Tiktok:Jan Hofers Typ

Die Tagesschau ist jetzt auf Tiktok, dem derzeit angesagtesten und umstrittensten Social-Media-Dienst. Das gibt natürlich Spott - aus einer unqualifizierten Ecke.

Von Dirk von Gehlen

Wäre er doch nur etwas früher dran gewesen. 3000 Dollar hätte Tagesschau -Sprecher Jan Hofer gewinnen können und vielleicht sogar ein Ticket für ein Konzert der US-Rapperin Saweetie. Die hatte im Sommer unter den Teilnehmern der sogenannten My-Type-Challenge diese Preise verlost. Fans mussten dafür kurze Videos zum Refrain des Saweetie-Songs "My Type" drehen, in denen sie etwas zeigen, das besonders zu ihrem Typ passt. Nutzerinnen und Nutzer stellen deswegen seit dem Sommer in sozialen Medien Haarfarben, Geschlechtspartner und Tanzstile vor, die sie für so passend halten, dass sie "My Type" sind. Seit dieser Woche ist auch Jan Hofer dabei. Der erste Film auf dem ganz jungen Account der Tagesschau im Dienst Tiktok zeigt, wie der Tagesschausprecher Krawattenstile prüft, die er scheinbar mit Hilfe eines Lautstärke-Reglers am Sprecherpult auswählen kann. Dazu rappt Saweetie: "That's my type" und Jan Hofer schaut glücklich in die Kamera.

Ob der derzeit angesagteste und umstrittenste Social-Media-Dienst Tiktok tatsächlich so passend ist, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk "It's my Type" rufen sollte, darüber ist eine öffentliche Debatte entbrannt. Denn Tiktok gehört der chinesischen Firma ByteDance und die US-Regierung prüft deshalb, wie stark der Einfluss der chinesischen Regierung auf die Nutzerdaten ist. Die Bild-Zeitung, deren Journalistenschule seit ein paar Tagen ebenfalls auf Tiktok aktiv ist, riet der Tagesschau, den Dienst sofort wieder zu verlassen. Die Nutzer wiederum sehen offenbar kein Problem. Tiktok, das früher Musical.ly hieß, zählt zu den beliebtesten Programmen, die Menschen sich auf ihre Smartphones laden. Und dann machen sie das, was vor Jahren privat mit der Bürste vor dem Spiegel passierte: Sie singen Lieder nach. Nur eben öffentlich. Der Erfolg des Sommerhits "Old Town Road" des US-Rappers Lil Nas wurde zum Beispiel maßgeblich dadurch beeinflusst, dass Nutzerinnen und Nutzer ihn auf Tiktok interpretierten.

Jan Hofer hat mit seinem Auftritt zwar keine Konzerttickets, aber jede Menge Aufmerksamkeit gewonnen. 37 000 Accounts folgen der Tagesschau bereits. Und darum geht es der Sendung. "Auf TikTok wollen wir in erster Linie unsere Marke bei jüngeren Zielgruppen noch präsenter und nahbarer machen", sagt Marcus Bornheim, der Erster Chefredakteur bei ARD-aktuell und soviel Pressesprecher in eigener Sache ist, dass er in den Satz ein kleines "noch" eingefügt hat. Aber es wäre zu einfach, sich dem Spott anzuschließen, den die Tagesschau nun von Menschen erfährt, die selbst noch nie ein Video auf Tiktok hochgeladen haben. Sie urteilen wortreich, es sei anbiedernd, was die Tagesschau da macht. Auf Tiktok selbst dagegen loben die Nutzer Jan Hofer als "Ehrenjan" (was eine Abwandlung des Jugendwortes Ehrenmann ist) und kommentieren Sätze wie: "Mein Dad kuckt Euch immer." Aus Sicht der Tagesschau immerhin ein Anfang.

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Quelle:
SZ vom 23.11.2019/luch
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