James Murdoch vor Untersuchungsausschuss:Schuld sind die anderen

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Was hat er gewusst und wann? James Murdoch muss vor dem Untersuchungsausschuss zum Abhörskandal aussagen. Der ehemalige Chef von News International und Sohn von Medienmogul Rupert verfolgt dabei eine klare Strategie. Was am Ende bleibt, sind widersprüchliche Aussagen.

Christian Zaschke, London

James Murdoch war bestens vorbereitet. Er trug einen nicht sonderlich gut sitzenden blauen Anzug, eine gestreifte, recht hässliche Krawatte und einen erstaunlich entspannten Gesichtsausdruck. Bei früheren Befragungen hatte Murdoch entweder zu beflissen oder zu fahrig gewirkt, diesmal sprach er ruhig, er verhaspelte sich nicht, er ließ sich von keiner Frage aus der Ruhe bringen.

Bei seinem Auftritt vor der Leveson Inquiry bleibt James Murdoch seiner Verteidigungslinie treu. Der Widerspruch zu den Aussagen der anderen bleibt. (Foto: AFP)

Von 10 Uhr morgens an wurde er am Dienstag unter Eid in dem unabhängigen britischen Untersuchungsausschuss vernommen, der sich mit der Ethik der Presse beschäftigt. Die sogenannte Leveson Inquiry war im vergangen Jahr von Premier David Cameron eingesetzt worden, nachdem publik geworden war, dass die inzwischen eingestellte Boulevardzeitung News of the World (NotW) Hunderte Telefone gehackt hatte. NotW gehörte zu Rupert Murdochs Medienkonzern News Corp., der in Großbritannien die Times und die Sun sowie 39 Prozent des Kabelsenders BSkyB besitzt.

James und Rupert Murdoch hatten im vergangenen Sommer vor einem parlamentarischen Ausschuss bestritten, frühzeitig Kenntnis von den Abhör-Aktionen gehabt zu haben. Rupert Murdoch wird an diesem Mittwoch und wohl auch am Donnerstag aussagen. Die Vernehmung von James Murdoch durch Staatsanwalt Robert Jay drehte sich im wesentlichen um zwei Themenkomplexe: erstens, was Murdoch wann vom Abhören wusste und zweitens, wie eng die Beziehungen der Murdochs zu britischen Politikern waren und sind.

James Murdoch entschied sich für eine klare Strategie: Er lud alle Schuld auf den damaligen Chefredakteur der NotW, Colin Myler, sowie auf den damaligen Rechtsberater Tom Crone. Er blieb damit seiner bisherigen Verteidigungslinie treu, was auch bedeutet, dass er weiterhin in offenem Widerspruch zu Aussagen Mylers und Crones steht. Konkret ging es um verschiedene Treffen im Jahr 2008 sowie einige E-Mails aus dem gleichen Jahr. Murdoch hatte damals einem Vergleich mit einem Fußballfunktionär zugestimmt, dessen Telefon abgehört worden war. Der Funktionär erhielt 425 000 Pfund plus Anwaltskosten, insgesamt rund 700 000 Pfund. Die Kernfrage ist, warum Murdoch einem derart teuren Vergleich zustimmte.

Myler und Crone hatten in früheren Befragungen dargelegt, dass Murdoch zu-stimmte, weil sie ihn über das Ausmaß des Hackens von Telefonen informiert hatten. Die offizielle Verlagslinie war damals, dass lediglich der Hofberichterstatter und ein Privatdetektiv Telefone abgehört hätten. Beide wurden 2007 zu Haftstrafen verurteilt, der Rest des Blattes sei sauber. Der Fußballfunktionär war jedoch im Besitz einer E-Mail, aus der hervorging, dass das illegale Abhören bei der NotW weit verbreitete Praxis war. Murdoch legte dar, nicht ausreichend informiert worden zu sein. Er habe seinen Posten als Chef des Zeitungsgeschäfts Ende 2007 angetreten und man habe ihm versichert, dass das Abhören eine Praxis der Vergangenheit sei.

Im Juni 2008 hatte Chefredakteur Myler jedoch einen Mailverkehr an Murdoch weitergeleitet, aus dem hervorgeht, dass nicht nur der Hofberichterstatter Telefone abhörte. Murdoch sagte nun, er habe diese Mails nicht gelesen. Er habe stattdessen ein persönliches Treffen anberaumt. Bei diesem Treffen habe er Myler und Crone autorisiert, den Vergleich mit dem Fußballfunktionär auszuhandeln - ohne jedoch Kenntnis vom Ausmaß der illegalen Vorgänge zu haben. Das Bemühen Mylers und Crones, ihn umfassend zu informieren, sei nicht gerade groß gewesen. Staatsanwalt Jay schloss daraus: "Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder wussten Sie vom Ausmaß des Hackens und wollten es durch die Zahlung vertuschen. Oder Sie wussten tatsächlich nichts, dann handelt es sich um unternehmerisches Versagen ihrerseits. Stimmen Sie zu?" Murdoch mochte erwartungsgemäß nicht zustimmen.

Seine Position im Unternehmen ist durch die Vorgänge geschwächt. Murdoch ist im Februar als Chef des britischen Zeitungsgeschäfts zurückgetreten, zuletzt auch als Vorsitzender von BSkyB, obwohl ihm dieser Job sehr am Herzen gelegen haben soll. Die Strategie dahinter ist, Murdoch aus dem Fokus der britischen Öffentlichkeit zu nehmen, zumal die Medienaufsichtsbehörde Ofcom derzeit untersucht, ob die Murdochs geeignet sind, einen Fernsehsender zu besitzen. Zeitungen darf im Land im Grunde jeder publizieren, für einen Fernsehsender braucht es eine Lizenz.

Im weiteren Verlauf ging es um die Nähe der Murdochs zur Politik. James Murdoch hat David Cameron zwölf Mal getroffen, bevor dieser im Mai 2010 Premierminister wurde. Die Sun hatte Cameron damals unterstützt. Auch nach der Wahl traf Murdoch mit Cameron zusammen, unter anderem bei einem größeren Essen am 23. Dezember 2010, bei dem die beiden kurz über BSkyB sprachen, wie Murdoch einräumte. Die Murdochs planten seinerzeit die komplette Übernahme von BSkyB, was zu der Frage führt, inwieweit sie ihren Einfluss auf die Regierung zu wirtschaftlichen Zwecken nutzen wollten.

Kulturminister Jeremy Hunt muss sich nun ebenfalls Fragen gefallen lassen: Er soll, bevor er die BSkyB-Übernahme befürwortete, E-Mail-Kontakt zu Murdoch-Mitarbeitern gehabt haben. Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Ed Miliband, forderte ihn zum Rücktritt auf. Die Verbindungen zur Regierung werden auch an diesem Mittwoch Thema sein, wenn Rupert Murdoch auftritt: Er ist seit mehr als 40 Jahren der einflussreichste Verleger des Landes.

© SZ vom 25.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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