Süddeutsche Zeitung

Italienische Presse:Privater Ruin

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Seit einem Jahr gibt es die italienische Zeitung "l'Unità" nicht mehr. Nun wurden ehemalige Mitarbeiter anstelle des Verlags zur Haftung für Ansprüche gegen das Blatt verurteilt. Ein bizarres Gesetz treibt sie in den Ruin.

Von Oliver Meiler

Der Tod einer Zeitung ist eine traurige Sache - für jene, die sie gerne lasen, und für jene, die für sie schrieben. Nun holt die früheren Journalisten der verflossenen italienischen Tageszeitung l'Unità - einst Zentralorgan des Partito comunista italiano und von dessen Nachfolgeparteien, eine bizarre Geschichte ein. Zwei Dutzend von ihnen - darunter die ehemalige Direktorin Concita De Gregorio, Chefredakteurin von 2008 bis 2011 - wurden zu hohen Schadenersatzzahlungen verurteilt. Der Grund sind Artikel, die sie schrieben oder verantworteten und gegen die geklagt wurde. Allein De Gregorio muss 400 000 Euro bezahlen. Die Justiz zieht ihren Lohn ein, verpfändet ihren Besitz. So sieht es ein italienisches Gesetz vor, wenn die Hauptverantwortlichen, die Verleger, nicht mehr belangt werden können. Und das kam in diesem Fall so.

Die Unità war einmal eine auflagenstarke Zeitung und Bühne berühmter linker Autoren. Doch in den Nullerjahren begann ihr langsames Sterben. Im vorigen Sommer erschien die Unità zum letzten Mal, man beweinte das Ende einer Ikone der Publizistik. Die Verlegergruppe Nuova Iniziativa Editoriale war unter 32 Millionen Euro Schulden versunken, obwohl sie über die Jahre 60 Millionen Euro an staatlichen Subventionen erhalten hatte. Sie meldete Konkurs an und verschwand.

Die Klagen aber liefen weiter. Es beschwerten sich unter anderem Silvio Berlusconi und Generäle der Geheimdienste, die sich von Investigativartikeln der Unità verleumdet wähnten. Laut Gesetz richten sich solche Verfahren gegen den Autor des Artikels, die Chefredaktion und gegen den Verleger. Gibt es keinen Verleger mehr, trägt der Chefredakteur auch dessen Verantwortung und dessen Bußen. Klingt absurd, ist aber so. "Ich wusste nicht einmal, dass gegen mich prozessiert wurde", sagt De Gregorio, "sonst hätte ich mich verteidigen und Beweismaterial präsentieren können, auf das sich die Artikel stützten." Aber da kamen schon die Vollzugsrichter.

De Gregorio wandte sich an Matteo Renzis Partito Democratico, der früher einen Sitz hatte im Aufsichtsrat des Verlags. Doch die Partei mochte nichts mehr mit dem Fall zu tun haben. Sie suchte die Konkursverwalter auf, wieder nichts. Nun aber regt sich Solidarität. Die Parlamentspräsidenten machen sich für die Journalisten stark, Politiker fordern eine Reform des Gesetzes. Und De Gregorio und ihre Kollegen gehen in Berufung: Der Tod der Zeitung treibt sie in den privaten Ruin.

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Quelle:
SZ vom 11.05.2015
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