Italien:Traum vom Duce

Italien: Beim Führer: Italienische Faschisten an Mussolinis Grab.

Beim Führer: Italienische Faschisten an Mussolinis Grab.

(Foto: Tiziana Fabi/AFP)

Der Sender Rai lässt zum 74. Todestag von Benito Mussolini viele Tränen des Bedauerns fließen.

Von Oliver Meiler

In Predappio, einem kleinen Ort im hügeligen Hinterland von Bologna, schauen zwei Mal im Jahr einige Hundertschaften Nostalgiker des Faschismus vorbei, als wäre das ein Wallfahrtsort. In ihren Augen ist er das wohl auch: In einer Krypta des örtlichen Friedhofs liegt Benito Mussolini begraben, der Duce, er stammte aus der Gegend. Manche werfen sich in schwarze Hemden, heften sich Medaillen aus einer anderen Zeit ans Revers, kaufen Memorabilien in den Souvenirläden an der Hauptstraße, Fahnen, Kreuze, Weine mit einschlägigen Etiketten, und strecken dann, wenn der Moment für das äußerliche Bekenntnis kommt, den rechten Arm zum Saluto romano, dem Faschistengruß. Begangen wird immer der Jahrestag des Marsches auf Rom und, natürlich, der Todestag Mussolinis, der 28. April 1945.

Der 74. Todestag fiel auf einen regnerischen Sonntag, es kamen 300 Pilger. Die Krypta wurde geöffnet, eine spezielle Sache. Edda Mussolini, eine Enkelin des Faschistenführers, war ganz gerührt über die Aufwartung: "Diese Tränen am Grab sind ein schöner Beweis für die große Zuneigung zu meinem Großvater", sagte sie. Auch das staatliche Fernsehen war da, die Rai, und sie drehte einen Beitrag von zwei Minuten, der ganz gut zur schleichenden Aufwertung des Faschismus passt, die das Land gerade erfasst, und nun viel zu reden gibt. Gedreht hat ihn ein Reporter von der Regionalredaktion in Bologna, ausgestrahlt wurde er in regionalen Fernsehnachrichten der Emilia Romagna. Er filmte einfach, was er da sah, die italienischen Fahnen auf Halbmast, die salutierenden Glatzen, und er ließ die Leute reden, ohne einmal nachzufragen oder zu relativieren.

Man sieht da eine 92-jährige Frau, die das Ventennio, die zwanzigjährige Herrschaft Mussolinis, wie ein Paradies in Erinnerung hat: "Alles funktionierte, wir lebten unsere Träume." Einer anderen Wallfahrerin ist daran gelegen, dass man Treue nicht mit Nostalgie verwechselt. Sie sei keine Nostalgikerin des Duce, sie habe ihn schließlich nicht erlebt. "Ich bin eine Getreue", sagt sie. Ihr Mann steht stolz daneben und meint, die heutige Demokratie sei "anarchistisch", alles falle auseinander, die damalige hingegen sei organisch gewesen und habe Ordnung und Disziplin gebracht. "Die wollen wir zurück." Das faschistische Regime als Demokratie?

Die Spitze des Senders gibt sich "tief irritiert". Der Bericht sei völlig unausgewogen, das gehe gar nicht. Es läuft nun eine interne Untersuchung, vielleicht kommt eine strafrechtliche hinzu. In Italien steht die Verherrlichung des Faschismus unter Strafe. Sehr wahrscheinlich wird man es am Ende bei einer Mahnung belassen, womöglich wird ein Regionalredaktor entlassen.

Es liegt im Trend, den Faschismus zu beschönigen. Erst vor ein paar Tagen appellierte Matteo Salvini, Innenminister und Vizepremier von der rechten Lega, an die Seinen, sie möchten zum Gedenktag des Kriegsendes nicht am "Derby zwischen Faschisten und Antifaschisten" teilnehmen. Als wäre das ein Wettkampf unter Gleichberechtigten, als fiele den antifaschistischen Partisanen nicht das Verdienst zu, zusammen mit den Alliierten Italien befreit zu haben von Mussolini und von den Besatzungstruppen Adolf Hitlers.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: