Israelische Serie:Hinter feindlichen Linien

Fauda

Undercover im Westjordanland: Auch in der zweiten Staffel von Fauda überschreitet eine Spezialeinheit israelischer Soldaten, zu der auch Nurit (Rona-Lee Shim'on) gehört, wieder geografische und moralische Grenzen.

(Foto: Netflix)

Israel vs. Hamas, Tote und Verletzte: Auch in der zweiten Staffel von "Fauda" überschreitet eine Spezialeinheit wieder geografische und moralische Grenzen. Angesichts der aktuellen Nachrichtenlage muss sich die Serie einem harten Realitätscheck stellen.

Von Moritz Baumstieger

Vor der Unterhaltung noch ein wenig Information mitzunehmen - einfach nur, weil die Nachrichten direkt vor den Filmen um 20.15 Uhr laufen -, ist etwas aus der Mode gekommen, seit Inhalte in Streamingdiensten und Mediathekenrund um die Uhr verfügbar sind. Wer aber aus Gewohnheit oder Interesse an diesem Ritual festhält, kann dieser Tage Folgendes sehen: 20 Uhr, Tagesschau: Israel vs. Hamas, Tote und Verletzte am Zaun von Gaza. Im Anschluss, maximal zwölf Folgen à 40 Minuten: Israel vs. Hamas, Tote und Verletzte, diesmal jedoch im Westjordanland und auf Netflix.

Verwechslungsgefahr besteht natürlich nicht wirklich zwischen öffentlich-rechtlichen Nachrichtenbeiträgen und einer privat finanzierten Actionserie. Wenn aber an diesem Donnerstag die zweite Staffel von Fauda startet, wird sich die israelische Produktion einem harten Realitätscheck stellen müssen. Weil die politische Atmosphäre im Nahen Osten deutlich heißer geworden ist seit 2016, als die erste Staffel weltweit zum Überraschungshit wurde. Vor allem aber auch, weil die Macher - Avi Issacharoff, ein israelischer Journalist mit Schwerpunkt "Arab Affairs" und Lior Raz, ein ehemaliger Elitesoldat - in der Vermarktung ihrer Serie gern betonen, ungeschminkte Wahrheiten über den israelisch-palästinensischen Konflikt zu zeigen.

Dieser Anspruch gilt natürlich weniger für die konkreten Wendungen im Plot. Fauda - arabisch für Chaos - erzählt die Geschichte einer israelischen Spezialeinheit, die tief in den Palästinensergebieten auf Terroristenjagd geht, meist verkleidet und getarnt als Araber. Dabei durchlebt das Team um Doron Kavlilio (der von Drehbuchautor und Ex-Soldat Lior Raz gespielt wird) Szenen wie die Protagonisten der meisten anderen Actiondramen auch: Das Böse bedroht die Helden (und ihre Familien) sehr bald sehr persönlich, es zu besiegen erfordert maximal unkonventionelles Vorgehen - die Überschreitung aller Regeln, die von der Gesellschaft und den Vorgesetzten aufgestellt wurden.

Was ihre Serie trotzdem einzigartig macht, beschreibt Autor und Hauptdarsteller Raz so: "Es ist, als würden wir den Vorhang lüften vor einem Ort, über den niemand spricht." Der tote Winkel, den Raz hier anspricht, ist zum einen die mentale Verfassung jener, die den täglichen Kampf gegen den Terrorismus ausfechten - auch wenn Fauda nie einen Zweifel daran lässt, welche Seite moralisch überlegen ist, begehen ihre Helden eine Grenzüberschreitung nach der anderen; drohen, foltern, morden. Und zum anderen beanspruchen Issacharoff und Raz, auch einen ganz greifbaren Vorhang durchsichtiger zu machen: die Betonmauer, mit der sich Israel vom Westjordanland abgeschottet hat und die vielen Israelis hilft, die Realitäten in den besetzten Gebieten einfach auszublenden.

An diesem Punkt entzündet sich mittlerweile harte Kritik in internationalen und selbst israelischen Medien: Fauda zeige eine Art Besatzung light, so der Vorwurf. Die Serie stelle zwar selbst die größten Schurken als menschliche Wesen dar, gebe sich aber keine Mühe zu erklären, warum diese kämpfen, der politische Kontext fehle gänzlich. Aber für den gibt es ja weiterhin die Tagesschau.

Fauda, bei Netflix.

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