Süddeutsche Zeitung

Sky-Serie "Irma Vep":Diese Serie ist großes Kino

Die Sky-Serie "Irma Vep" erzählt von den Anfängen des Filmemachens, mit fantastischen Bildern und Alicia Vikander als Star.

Von Susan Vahabzadeh

Der zeitgenössische Filmemacher ist eine tragische Figur. René hat mindestens ein halbes Dutzend Probleme. Er will ein Remake einer Stummfilm-Reihe drehen, die er vergöttert, und droht unter der Last zu zerbrechen; er hat einen grandiosen Theater-Mimen (Lars Eidinger) mit einem Crack-Problem engagiert; sein Star Mira (Alicia Vikander) kapiert nicht, dass vor hundert Jahren Leute Dinge in Notizbücher schrieben; das Budget ist für einen Kostümfilm zu klein, und zwischen den Drehs muss er mit einem Arzt den Unterschied zwischen einer Serie und einem langen Film erklären, weil ihn niemand versichern will.

Olivier Assayas ("Die Wolken von Sils Maria", "Carlos"), hat "Irma Vep" geschrieben und inszeniert, und er hat sicher eine ganze Menge von sich selbst in René hineinprojiziert. Wie sich die großen Visionen an der Machbarkeit aufreiben, aus Filmen Serien werden, damit kennt er sich aus, und mit Filmen über Menschen, die Filme machen, den Spannungen hinter der Kamera, bei denen man nie recht weiß, ob sie erotisch sind oder bloß Rivalität.

Irma Vep ist ein Anagramm für "Vampire", die Figur ist mehr als hundert Jahre alt

"Irma Vep" hat er so ähnlich schon einmal als Film gedreht, 1996 kam "Irma Vep" mit seiner damaligen Frau Maggie Cheung in der Hauptrolle ins Kino - da drehte sich noch alles um Stard, Maggie Cheung spielte Maggie Cheung, die engagiert wird, um in einem Remake der Serie zu spielen, an dem ein Veteran der Nouvelle Vague (Jean-Pierre Léaud) scheitert. Die neue Serie ist ein Update, ein sich wiederholendes Lehrstück über die Gratwanderung zwischen Erzählkunst und Industrie. Die neue Irma handelt vom Kino, das heimlich im Fernsehen weiterzumachen versucht. Also dreht Assayas, der einer der größten lebenden französischen Filmemacher ist, eine Serie mit der gleichen Sorgfalt, den Bildideen, der Inbrunst, die er in jeden anderen Film stecken würde.

Irma Vep ist ein Anagramm für "Vampire", die Figur stammt aus einer Serie, die mehr als hundert Jahre alt ist - in zehn unterschiedlich langen Episoden ließ Louis Feuillade 1915 Les Vampires auf Paris los, wo sie rauben und morden, ein Journalist, dessen große Liebe sie auf dem Gewissen haben, immer auf ihren Fersen. Irma, der Vampir im schwarzen Catsuit, arbeitet als Tänzerin in einem Nachtclub - "Hypnotische Augen" heißt eine der Folgen, riesig und schwarz umrandet blickten sie von der Leinwand herab, denn Les Vampires war eine Serie fürs Kino, weil es damals gar nichts anderes gab. Im Zentrum, als Irma, stand der französische Stummfilmstar Musidora alias Jeanne Roques, eine enge Freundin von Colette, die schrieb, inszenierte, produzierte.

Mira hat von der Rolle geträumt, man versteht das sofort, wenn sie in der ersten Folge den Catsuit anprobiert. Alicia Vikander spielt sie als arrogante Frau, die sich nur von ihrer Ex-Geliebten in die Schranken weisen lässt, auch aus Rachegelüsten. Mira ist aus L.A. frisch nach Paris angereist, versteht kein Wort von dem, was die anderen bei der Produktion reden und es interessiert sie auch nicht. Aber als sie den Catsuit anprobiert, verwandelt sie sich sofort in Irma Vep: Sie schleicht davon, huscht durch die Räume, stiehlt etwas aus einer Handtasche, versteckt sich hinter Türen.

Das ist herrlich anzusehen, es macht vielleicht noch ein bisschen mehr Spaß, wenn man die alten Feuillade-Filme kennt - aber zwingend ist das nicht, Assayas hat kleine Schnipsel in seine Serie eingestreut, und manchmal lässt er die alten Szenen in die neu gedrehten übergehen, mit ansteckender Lust am Rausch der Bilder.

Acht Episoden, auf Sky.

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