Süddeutsche Zeitung

Iris Berben:Ulknudel und Präsidentin

Die Schauspielerin Iris Berben beherrscht wie sonst keine die Kunst, das Leichte und das Schwere zu verknüpfen. Ein Rückblick auf ihre wichtigsten Rollen zum 70. Geburtstag.

Von Harald Hordych

Um zu verstehen, welche Bandbreite sich die Schauspielerin Iris Berben in ihrer langen Karriere rangeschafft hat, genügt es, sie bei einem Gespräch zu erleben. An diesem Tag in Berlin vor etwas mehr als drei Jahren war sie jeden Augenblick bereit, das Thema zu wechseln, sich auf einen neuen Gedanken, eine andere Stimmung einzulassen - ohne ein einziges Mal oberflächlich oder sprunghaft zu wirken. Dabei zeigte sie ein erstaunliches Spektrum an heiterer Lebensfreude, Nachdenklichkeit und offenherzigem Widerspruchsgeist. Immer war es ihr ernst, mit dem, was besprochen wurde, und immer war sie bereit, sich über ein komisches Detail sofort vor Lachen auszuschütten.

Iris Berben kann in der einen Sekunde eine Ulknudel sein und in der nächsten die Präsidentin der deutschen Filmakademie, die sich dem Niedergang der deutschen Kinolandschaft entgegenstellt. Das ist eine Gabe, die hilft, diesem verflixten Beruf, bei dem alles so leicht wirken und vieles so schiefgehen kann, immer wieder Großes abzugewinnen.

Wer aber hätte ahnen können, dass ein junges Mädchen aus Detmold, das ohne Schulabschluss mit 17 mehr oder weniger durch Zufall beim neuen deutschen Film in Hamburg ein paar Rollen ergattert hatte, irgendwann einmal die weiblichen Hauptrollen in den wichtigsten deutschen Familien von den Wagners bis zu den Buddenbrooks spielen würde?

Iris Berben war damals eine junge Frau, die zunächst mal eine Begabung für alles Kurzweilige zeigte. Ihre Fernsehkarriere begann sie mit der ebenso schönen Ingrid Steeger, als eine der beiden Himmlischen Töchter in einer Comedy-Serie über zwei Stripperinnen, die ein Flugzeug erben. Dem Schlüpfrigen entflog sie, was blieb, war ihr Gespür für Zwischentöne und Timing, das sie flugs als große Komödiantin auswies. Dieses Talent führte sie dann mit dem so früh gestorbenen Komikstar Diether Krebs in Sketchup zu einem Riesenerfolg auf dem Feld des virtuosen Rollen-Klamauks, mit bis zu 40 Prozent Sehbeteiligung.

Es folgten Filme, die Rennschwein Rudi Rüssel hießen und Kondom des Grauens. Aber mit den mehr werdenden Jahren wurde Iris Berben immer wandlungsfähiger - und zugleich gefragter. Eine andere Dimension kam dazu, die man Lebensklugheit nennen könnte, die Geschichten wurden vielschichtiger. Ein Meilenstein war Andrea und Marie mit Hannelore Elsner. "Das große Duell der Diven gelingt zum Augenschmaus", schrieb diese Zeitung vor mehr als 20 Jahren. Der künstlerische Adelstitel Diva sagt schon alles: Es kamen die großen Frauenrollen, die sie mit Souveränität spielte, aber auch mit dem Gespür dafür, dass Wagner-Mütter und andere Königinnen einerseits unantastbar sind, andererseits aber vom Leben so hart angefasst werden, wie nun mal alle, die hier auf Erden unterwegs sind.

Sie beherrscht die Kunst, das Leichte und das Schwere nicht gegeneinander auszuspielen, sondern mühelos miteinander zu verknüpfen. Wozu sie das befähigt, hat sie zuletzt in dem preisgekrönten Film Hanne unter der Regie von Dominik Graf bewiesen. Da spielt sie eine ganz normale Frau, die in Rente geht und nach einem vorläufigen Untersuchungsergebnis ein Wochenende lang annehmen muss, sie sei unheilbar an Krebs erkrankt. Dieses Schwanken zwischen todtraurig und himmelhoch jauchzend verkörpert sie meisterhaft unaufgeregt, sie spielt die Gefühle weg, statt sie aufzubauschen, aber das in allen Nuancen. Dafür an dieser Stelle: Danke! Verbunden mit dem Wunsch: Bitte mehr davon!

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