Iran:Der Bann

In Iran wird der Chefredakteur der liberalen Zeitung "Ettelaat" angeklagt. Die Begründung: Er sei ein "Aufwiegler".

Von Paul-Anton Krüger

In Iran hat die von den Konservativen dominierte Justiz den Chefredakteur der liberalen und traditionsreichen Zeitung Ettelaat angeklagt. Mahmoud Doaei werde vor Gericht gestellt, weil er das Verbot missachtet habe, Äußerungen oder Bilder des reformorientierten Ex-Präsidenten Chatami zu veröffentlichen, sagte Justizsprecher Gholam Hossein Mohsen Ejehi am Sonntag, nachdem der Journalist zu einem zweiten Verhör einbestellt worden war. Die Zeitung hatte Anfang Dezember ein Bild Chatamis abgedruckt und Äußerungen wiedergegeben, die er in einem auf Arabisch erschienenen Interview mit der libanesischen Zeitung al-Safir gemacht hatte.

Das Verbot hatte im Februar die Justiz oder der Oberste Nationale Sicherheitsrat ausgesprochen, darüber gibt es widersprüchliche Angaben. Beide werden vom Obersten Führer Ali Chamenei kontrolliert. Moderate Politiker und auch Doaei bezweifeln, dass es eine gesetzliche Grundlage dafür gibt. Der Bann war damit begründet worden, Chatami sei ein "Aufwiegler". Er hatte es gewagt, an das Schicksal von Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi zu erinnern, zwei Präsidentschaftskandidaten, die de facto seit 2009 ohne rechtliche Grundlage von den Revolutionsgarden in Hausarrest gehalten werden. Sie waren gegen Mahmud Ahmadinedschad angetreten und hatten nach dessen umstrittener Bestätigung für eine zweite Amtszeit als Präsident dem Regime Wahlbetrug vorgeworfen. Passend zu den Ereignissen in Iran veröffentlichten die Reporter ohne Grenzen am Montag den ersten Teil ihrer Jahresbilanz: Die meisten der weltweit inhaftierten 153 Journalisten sitzen in diesen Ländern in Haft: China, Ägypten, Eritrea, Türkei - und Iran.

© SZ vom 15.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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