Internet:Was hast du? Was bist du?

Eine Webvideo-Serie des BR fragt Menschen nach ihrem Verdienst und lenkt so indirekt auf gesellschaftliche Fragestellungen, die immer beim Geld mitschwingen.

Von Philipp Bovermann

Geld ist immer noch das, was Sex mal war, bevor es Pornos mit politischem Anspruch gab: Man redet nicht darüber. Geld ist ein Tabuthema. Geld ist aufregend. Geld ist dirty. Die Sadomaso-Sexarbeiterin Mademoiselle Ruby hat damit kein Problem. Sie zählt erst mal Scheine, ihr letzter Gast ist gerade gegangen. Sechzig Minuten "Spielzeit" plus Vor- und Nachgespräch. Macht 250 Euro für etwa neunzig Minuten. Damit hat sie zwar noch nichts verdient, aber "immerhin schon mal die Miete drin. Auch ein gutes Gefühl."

In einer neuen Webvideo-Serie des Bayerischen Rundfunks, die sich dessen Volontäre ausgedacht haben, geht es um das Gehalt von Menschen aus unterschiedlichen Berufsgruppen, um die Frage "Lohnt sich das?", so der Titel. Mademoiselle Ruby beispielsweise ist ganz zufrieden. Zwölf bis 14 Stunden "echter Arbeit" hat sie monatlich im Studio, plus Büroarbeit, damit kommt sie auf etwa 2000 Euro netto im Monat. Für sie reicht das, sie mag ihren Job, aber es ist gar nicht mal so viel, wenn man es mit Oliver vergleicht, einem "Trader", also Börsenspekulanten, der den lieben, langen Tag in seiner Wohnung in München-Haidhausen Kurse beobachtet. Er hat aktuell eine "Position offen im deutschen Aktienmarkt". Punkt neun zur Börseneröffnung klingelt ein Alarm. Am Ende eines langen Tages, an dem "viel Action" auf dem Markt war, lässt der Trader den Tag mit einem Glas Weißwein im feinen Restaurant ausklingen, das ihm teilweise gehört. Olivers monatlicher Marktwert: Etwa 5000 Euro netto.

"Lohnt sich das?" finanzscannt auf einer Länge von nur wenigen Minuten pro Folge den Tagesablauf seiner Protagonisten. Ein Beatproduzent etwa redet stolz darüber, dass der Beat, den er einmischt, "eigentlich siebzig Prozent des Songs" ausmacht; so sieht bei ihm die immaterielle Haben-Seite aus, derweil erfahren wir per Einblendung von seinen Ausgaben: Minus fünfzig Euro monatlich für das Studio im Haus seiner Eltern. Dorthin fährt er mit dem Auto der Freundin - minus dreißig Euro monatlich. Und so weiter. Am Ende des Tages wird Bilanz gezogen. Ausgaben und Einnahmen, Materielles und Immaterielles werden in der Frage "Lohnt sich das?" verrechnet, die jeder der Protagonisten beantwortet.

Der Aufbau ähnelt somit einer bekannten Kreditkartenwerbung, in der Beträge von Einkäufen aufgezählt werden, bis am Ende irgendein supercharmantes Erlebnis "unbezahlbar" ist. Hier läuft das umgekehrt: Diesmal steht die Selbstverwirklichung am Anfang, dann folgt ein nüchtern-ernüchternder Striptease bis auf die finanzielle Unterwäsche. In der Sprache nackter Zahlen werden unterschiedliche Lebensentwürfe hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Wertschätzung vergleichbar.

Dass es bei dem Format implizit auch um politisch-gesellschaftliche Fragen geht, fällt vor allem in den beiden Folgen auf, in denen es nicht um einen, sondern um zwei Protagonisten geht, deren Hauswirtschaften einander gegenübergestellt werden. Denn wahrscheinlich wird von Gehältern deshalb so wenig geredet, weil man sie unwillkürlich sofort in Relation setzt - und dann auf aufrührerische Gedanken kommt. Die Frage "Lohnt sich das?" stellt sich erst zusammen mit einer anderen Frage: Lohnt sich, was ich tue, wenn der Typ da drüben so und so viel mehr kriegt? Ist das gerecht? Eine freiberufliche Hebamme fühlt sich "nicht so wertgeschätzt" mit ihrem Honorar, das bei einem Stundenlohn von rund dreißig Euro brutto liegt - wenn sie im Einsatz ist. Und das bei einer Verantwortung über Leben und Tod. Kein Wunder, dass Geld ein Tabuthema ist.

Lohnt sich das? Br-Mediathek und youtube.

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