Süddeutsche Zeitung

Internet als Konkurrenz zu TV und Kino:Immer mehr Stars steigen aufs neue Medium um

Lesezeit: 3 min

Teuer produzierte Internet-Serien lassen das Netz zu einer echten Konkurrenz für das klassische Fernsehen werden. Serien wie "The Booth at the End" oder "The Bannen Way" haben Budgets von sechs Millionen Dollar pro Folge. Nun steigen auch Filmgrößen wie Tom Hanks, Kevin Spacey oder David Fincher in das Geschäft ein - und setzen damit ein Ausrufezeichen.

Karoline Meta Beisel

Tom Hanks war bislang als Schauspieler und Produzent bekannt. In der vergangenen Woche kam heraus, dass Hanks neuerdings auch Anhänger der Heimat des Fußball-Sechstligisten Eisenhüttenstadt ist, oder, wie der Amerikaner es nennt, "Iron Hut City".

Das Video seines Auftritts in der Late Night Show von David Letterman in New York, wo Hanks von seinem Besuch in "Iron Hut City" schwärmte, wird gerade durch die sozialen Netzwerke gereicht. Das Internet hat Hanks entdeckt und Hanks das Internet. Demnächst wird die von ihm produzierte Animationsserie Electric City ausschließlich im Internet zu sehen sein.

Hanks zählt zu einer immer noch kleinen, aber wachsenden Gruppe, die Serien zunächst im Netz verfügbar machen und erst anschließend im Fernsehen ausstrahlen lassen. Video-on-Demand-Unternehmen wie Netflix setzen für ihre mehr als 20 Millionen Kunden (USA und Kanada) auf exklusive Inhalte und steigen inzwischen auch als Produzenten ins Filmgeschäft ein.

Ende dieses Jahres wird Netflix eine amerikanische Version der britischen Fernsehserie House of Cards anbieten. 26 Episoden wurden mit Regisseur David Fincher verabredet ( Verblendung, The Social Network). Fincher wird die erste Folge inszenieren und House of Cards produzieren. Oscar-Gewinner Kevin Spacey wurde für die Hauptrolle engagiert, im Wesentlichen geht es um einen ehrgeizigen Politiker, der ganz nach oben will.

Nicht mehr nur Trash-Clips

Auch Hulu, das zweite große Filmportal, investiert in einen namhaften Regisseur. Richard Linklater ( Before Sunrise, School of Rock) wird für Hulu eine Dokumentarserie entwickeln.

Das Internet wird zunehmend Abspielfläche für Filmprojekte, die früher ausschließlich in den Kinos zu sehen waren oder nur im Fernsehen. Nach wie vor gibt es die typischen, das Netz charakterisierenden YouTube-Clips. Doch der Zuschauer gewöhnt sich daran, Filme und Serien online zu konsumieren. Die Zugriffszahlen für Catch-Up-TV, für zeitunabhängiges Fernsehen, steigen, die deutschen Sender bieten in ihren Mediatheken immer umfangreicher die von ihnen produzierten Inhalte an, bei ARD und ZDF sogar kostenlos.

Neben dem bekannten Genre des amateurgemachten Internetfilmchens gibt es inzwischen auch professionelle Akteure: Moderne Web-Serien wie The Booth at the End (Science-Fiction) oder The Bannen Way (Krimi) haben Budgets auf Fernsehniveau. Eine Folge von House of Cards soll bis zu sechs Millionen Dollar kosten. Anders wären Regisseure wie David Fincher oder Schauspieler wie Kevin Spacey auch nicht zu überzeugen als mit einem Produktionsvolumen, das Qualität bei der Herstellung ermöglicht.

Netflix, das Werbung integriert und 7,99 Dollar im Monat kostet, verwertet seine eigenen Inhalte inzwischen wie alle Produzenten, nur in der umgekehrten Reihenfolge. Eine Serie wird deshalb dramaturgisch so geplant, dass man sie später auch im Fernsehen zeigen oder in den DVD-Handel bringen kann: Sony Pictures hat die TV-Ausstrahlungsrechte an House of Cards erworben, The Bannen Way erscheint demnächst auf DVD.

Als Produzenten begannen, die Fernsehverwertung eines Kinostoffs schon beim Entwurf des Drehbuchs mitzudenken, galt das noch als Verrat an der Kunst. Schafft es heute ein Film oder eine Serie aus dem Internet ins Fernsehen, wird das als erstaunlicher Erfolg bewertet. Tatsächlich wird in wenigen Jahren niemand mehr darüber staunen, dass ein Stoff, den das Fernsehen zeigt, ursprünglich für den Vertriebsweg Internet produziert wurde.

House of Cards hat deshalb eine besondere Bedeutung, weil auch amerikanische Networks um die Rechte geboten hatten. Angeblich soll Netflix am Ende mehr als Hundert Millionen Dollar gezahlt haben. Bei einer Konferenz im Dezember sagte Netflix-Geschäftsführer Reed Hastings, man müsse bereit sein, große Summen auszugeben, wenn man den Konkurrenzkampf mit einem Sender wie HBO nicht verlieren wolle.

Youtube startet YouTV

Netflix und HBO wurden Konkurrenten, weil das Internet als Vertriebsweg für fiktionale Inhalte beinahe etabliert ist. Einer Studie zufolge wird bis 2016 die Hälfte aller US-Haushalte Fernsehen über das Internetprotokoll beziehen können. Ob eine Serie im Netz oder als Angebot des klassischen Fernsehens läuft, spielt für den Zuschauer nur eine Rolle, wenn zusätzliche Kosten entstehen.

YouTube, Marktführer unter den Videoportalen, wird demnächst YouTV starten. Circa Hundert neue Kanäle, Original Channels, sollen entstehen, beauftragt wurden Fernsehprofis wie Anthony Zuiker, Erfinder von CSI, Musiker wie Jay-Z oder Parks and Recreation-Hauptdarstellerin Amy Poehler.

YouTube, das zu Google gehört, finanziert die Herstellungskosten vor, die Produzenten zahlen sie später aus ihren Werbeeinnahmen zurück. Google selbst will mit seiner Google TV-Plattform der Flaschenhals für die neue Fernsehwelt im Netz sein, auch Apple und Amazon kämpfen um diese Position. Die deutschen Fernsehintendanten macht das nervös: Sie fürchten, zum Gegenstand fremder Geschäftsmodelle zu werden.

Nach derzeitigem Stand sollen die YouTube-Kanäle nur ein paar Stunden Material pro Woche liefern. Aber dass sie früher oder später 24 Stunden lang an sieben Tagen senden und auch dort neue, eigene Serien und Filme zu sehen sind, ist klar.

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Quelle:
SZ vom 18.01.2012
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