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Werbung in sozialen Medien:Was man auf Instagram kennzeichnen muss

  • Unter Laien wie Profis herrscht Verwirrung, was man in sozialen Netzwerken als Werbung kennzeichnen soll.
  • Pauschal alles als Werbung zu markieren, ist eher sinnlos, Transparenz aber in jedem Fall das oberste Gebot.

Von Benedikt Frank

Noch das echte Leben oder längst Werbung? Darum geht es in mehreren Prozessen zur Werbekennzeichnung in sozialen Netzwerken.

Jüngster Fall: Cathy Hummels. Die Influencerin soll auf Instagram mehrere Beiträge nicht ausreichend gekennzeichnet und damit Schleichwerbung betrieben haben. Das wirft ihr der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) vor, Hummels Anwälte legten Widerspruch ein, der Fall ist vor dem Münchner Landgericht gelandet.

Vor Kurzem musste sich Pamela Reif, 22, mehr als vier Millionen Follower, vor dem Landgericht Karlsruhe gegen den Vorwurf der Schleichwerbung verteidigen. Sie postet zu Fitness- und Lifestyle-Themen und verlinkt oft die Hersteller der Klamotten, die sie trägt, und der Produkte, die sie nutzt. Ihr Standpunkt: Nur, wenn sie Geld für Verlinkungen bekommt, sei das Werbung. Der VSWettbewerb, dessen Zweck "die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs und der Wirtschaftskriminalität" ist, sieht das anders und erwirkte eine Unterlassungsverfügung. Das Urteil soll im März verkündet werden.

Reifs Kollegin Vreni Frost hatte vom Landgericht Berlin zunächst eine einstweilige Verfügung kassiert. Sie kennzeichnete daraufhin alle ihre Beiträge mit #Werbung. Seitdem tun es ihr viele nach, selbst Privatleute, die Familienbilder posten - und Klagen fürchten. Kürzlich nahm das Kammergericht Berlin das Urteil gegen Frost zurück - allerdings nur in Teilen.

Kurz: Unter Laien wie Profis herrscht mitunter regelrecht Verwirrung. Aber wann ist man auf der sicheren Seite? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Warum die Verwirrung?

Weil Social Media noch relativ jung und unreguliert ist, viele Nutzer die Regeln nicht kennen oder ignorieren und allgemein die Grenze zwischen privater und offizieller Kommunikation auf den Selbstdarstellungsplattformen fließend ist. Zudem stehen Grundsatzurteile aus.

Was muss als Werbung gekennzeichnet werden?

Wichtigste Faustregel: Werbung ist ein gepostetes Foto oder Video immer dann, wenn es dafür eine Gegenleistung gibt. Und Werbung muss immer als solche gekennzeichnet werden. Komplizierter wird es bei Produkten oder Dienstleistungen, die man kostenlos erhält, um sie online zu präsentieren. Falls es eine Absprache mit dem Unternehmen gibt, in welcher Form die Berichterstattung auszufallen habe, wie das Foto auszusehen habe oder dass man sich positiv äußern solle, muss eine Werbekennzeichnung her. Anders ist es, wenn an gratis Bücher, Kosmetikproben, Klamotten, Uhren, Reisen keine Bedingungen geknüpft sind. Denn dann lässt sich argumentieren, dass man ein kostenloses Muster erhalten hat, um es bewerten und darüber berichten zu können. Egal aber, ob Gelder oder Bedingungen abgemacht sind: Wer in seinem Post euphorisch zum Kauf aufruft, läuft Gefahr, abgemahnt zu werden. In Zweifelsfällen entscheiden Gerichte, ob es sich um Werbung handelt und die Abmahnung gerechtfertigt ist oder nicht.

Wie kennzeichnet man idealerweise?

Mit dem deutlich sichtbaren Wort "Anzeige" oder "Werbung" - in der Regel am Anfang des Posts oder Videos. Englische Begriffe wie "Ad" oder "Sponsored Post" genügen nicht. Detaillierte Empfehlungen dazu gibt ein Leitfaden der Medienanstalten, den man auf der Webseite der Landesmedienanstalten (die-medienanstalten.de) unter dem Menüpunkt Themen - Werbeaufsicht abrufen kann.

Was ist mit Produktplatzierungen?

Zu Sponsoring und Produktplatzierungen gibt es eigene, sehr spezielle Regeln. Grob kann man sagen, dass ein Sponsor genannt werden muss. Allerdings darf er inhaltlich keinesfalls mitreden. Eine Produktplatzierung ist zu kennzeichnen und darf per Definition nur Beiwerk - zum Beispiel eines Youtube-Videos - sein. Wer sich mit diesen Fragen beschäftigt, ist in der Regel aber ohnehin gewerblich als Influencerin oder Influencer tätig. Und die sollten sich angesichts der derzeitigen Gemengelage ohnehin am besten von vornherein anwaltlich beraten lassen.

Muss man Werbung in eigener Sache kennzeichnen?

Wer sein eigenes Geschäft bewirbt, muss das nicht extra als Werbung kennzeichnen, auch nicht, wenn er das auf eigenen Kanälen auf Instagram oder anderen Plattformen tut. Ein Metzger darf auch online behaupten, dass es bei ihm die beste Wurst gibt. Das gilt aber nur, solange er nicht verschleiert, dass er in eigener Sache spricht. Erweckt er in sozialen Medien den Eindruck einer objektiven, unabhängigen Empfehlung, ist das nicht rechtens. So musste etwa der Fitness-Youtuber Flying Uwe 2017 satte 10 500 Euro Geldstrafe zahlen. Er hatte in Videos von Produkten einer Firma, deren Geschäftsführer er ist, geschwärmt, dies nicht kenntlich gemacht und sich der Aufforderung zur Kennzeichnung auch nach einem Hinweis durch die Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein verweigert.

Wäre es sicherer, alles als Werbung zu kennzeichnen?

Nun ja. Vor einer Abmahnung wegen zu wenig Kennzeichnung schützt es zunächst schon, überall "Werbung" oder "Anzeige" dazuzuschreiben. Doch erstens leben Profile in den sozialen Medien ja von Glaubwürdigkeit. Die leidet bei Überkennzeichnung. Zweitens parodiert man den Zweck der Kennzeichnung und zwar vor allem auf Kosten derjenigen, die wenig Medienkompetenz haben und auf die Hinweise angewiesen sind. Das ist in etwa so sinn- und rücksichtsvoll, wie aus Angst, bei einem Unfall verletzt zu werden, mit dem Panzer zur Arbeit zu fahren. Den Verbraucherzentralen, den Medienanstalten und anderen Institutionen ist deshalb daran gelegen, einer Überkennzeichnung entgegenzuwirken. Kann erst einmal jemand nachweisen, dass zu viel unsinnige Werbekennzeichnung ein Problem ist, wird früher oder später auch dagegen prozessiert werden.

Was muss nicht gekennzeichnet werden?

Unabhängige, redaktionelle Beiträge sind auch dann keine Werbung, wenn sie von Produkten oder Dienstleistungen handeln. Darum folgt aus Rezensionsexemplaren nicht automatisch Werbung. Das gilt unter anderem für die auf Youtube beliebten Produkttests, selbst für positive - zumindest sofern es kein reines Gejubel mit Kaufempfehlung ist. Eventuell muss dann jedoch ein Gericht überzeugt werden, dass man bei diesen Bewertungen journalistisch arbeitet. Je regelmäßiger man nur über ein einziges Produkt oder eine einzige Marke berichtet, desto gefährlicher. Bestenfalls bewertet man Dinge in den sozialen Medien aus einer gewissen kritischen Distanz, um so im Zweifel einfacher darlegen zu können, dass auch das größte Lob auf einer von der Meinungsfreiheit gedeckten Überzeugung beruht. So hatte auch Vreni Frost zuletzt in Teilen erfolgreich argumentiert: Sie mache nichts anderes, als viele Zeitschriften; die Verlinkungen seien ein redaktioneller Service.

Werden auch kleine, private Accounts abgemahnt?

Nicht nur große Instagram- oder Youtube-Accounts wie die von Vreni Frost oder Pamela Reif sind von der Abmahnwelle betroffen. Laut Medienberichten werden auch Profile von Menschen mit weniger als 300 Followern abgemahnt.

Gibt es sonst noch etwas bei der Werbung zu beachten?

Auch gekennzeichnete Werbung sollte sich auf Youtube und Instagram nie direkt an Kinder und Jugendliche richten. Da diese Zielgruppe als höchst manipulierbar gilt, verbietet dies das Jugendschutzgesetz. Schließlich sollte man auch im analogen Leben Schülern nichts aufschwatzen, und wenn es doch unbedingt sein muss, läuft der legale Weg über die Eltern. Besser auch Finger weg von jeder Werbung für Tabak, Alkohol und Glückspiel sowie Dingen, die nicht frei verkäuflich sind. Politische Werbung kann ebenfalls problematisch sein.

Warum muss man Werbung überhaupt kennzeichnen?

Nicht jeder kann immer erkennen, wenn ihm jemand etwas verkaufen will. Das zu wissen ist aber wichtig, schließlich bewertet man eine unabhängige Empfehlung aus Überzeugung anders als eine, hinter der kommerzielles Interesse steckt. Beides transparent zu trennen ist zunächst eine ethische Verpflichtung. Weil die nicht alle anerkennen oder verschieden interpretieren, gibt es auch für den klassischen Rundfunk geltende Gesetze, die eine Werbekennzeichnung vorschreiben: die Pressegesetze der Länder, den Rundfunkstaatsvertrag und das Telemediengesetz.

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Quelle:
SZ vom 01.02.2019/heka
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