Insolvenz der Nachrichtenagentur dapd:Zwei Heilige drehen den Geldhahn zu

Nach der Insolvenz der Nachrichtenagentur dapd werden nun die Hintergründe der Pleite klarer: Die steinreichen Gesellschafter des Unternehmens gaben sich gern als Mäzene des Journalismus und mischten die Branche auf. Bei Zuschüssen von einer Million Euro pro Monat war ihnen der Einstieg ins Nachrichtengeschäft dann aber doch zu teuer.

Katharina Riehl und Claudia Tieschky

Hoch oben über Berlin, sieben Stockwerke über der Reinhardtstraße, sahen die Dinge immer gut aus. Hier in seinem Büro mit Blick auf den Reichstag erzählte Martin Vorderwülbecke gern davon, wie er die Nachrichtenagentur dapd groß machen wollte, die er gemeinsam mit seinem Mit-Gesellschafter Peter Löw besitzt. Hier feierten sie noch ihr Sommerfest mit Gästen wie Hans-Dietrich Genscher und Wirtschaftsminister Philipp Rösler, bei dem Löw die dapd als neuen Stützpfeiler der Mediendemokratie pries.

Insolvenz der Nachrichtenagentur dapd: Der Hauptsitz von dapd Berlin: Die Nachrichtenagentur hat für weite Teile ihres verzweigten Firmen-Organigramms Insolvenz angemeldet. Am Schluss hatten die Eigentümer eine Million Euro pro Monat zugeschossen, die die Illusion von Erfolg zu erhalten.

Der Hauptsitz von dapd Berlin: Die Nachrichtenagentur hat für weite Teile ihres verzweigten Firmen-Organigramms Insolvenz angemeldet. Am Schluss hatten die Eigentümer eine Million Euro pro Monat zugeschossen, die die Illusion von Erfolg zu erhalten.

(Foto: AFP)

Wer ihren Expansionskurs verfolgte, der vor allem ein Kaufrausch der Eigentümer war, musste Skepsis und Faszination empfinden: Stets lag der Verdacht nahe, dass Peter Löw und Martin Vorderwülbecke das blieben, was sie waren - knallharte Finanzinvestoren. Mit An- und Verkauf sind sie reich geworden, wozu das Zuschussgeschäft bei dapd nicht passt. Dass die bekennenden Katholiken gern von gesellschaftlicher Verantwortung sprachen, mit der sie als Nachrichten-Mäzene auftraten, klang zu gut.

So knallhart die beiden Finanzinvestoren Vorderwülbecke und Löw mit ihrer Beteiligungsfirma BluO das Geldgeschäft betreiben - hier bei dapd sprachen sie davon, dass man etwas zurückgeben müsse im Leben. Man hätte die beiden glatt für Heilige halten können. Von einem Ausstieg, einer Exit-Strategie war nie die Rede.

Die Turbo-Manager klotzten Geld in die Agentur, klopften Sprüche, unterboten Preise und mischten mit bubenhafter Freude eine Branche auf, in der sonst nur gejammert wird. Sie gaben sich als Kämpfer für Marktwirtschaft und wollten sogar die große dpa angreifen. Sie machten den Wind, der viele Journalisten beflügelte, zu ihnen zu wechseln. Diese Journalisten fürchten nun um ihre Existenz.

Eine Million Euro haben die Eigentümer am Ende monatlich aus eigenen Mitteln zugeschossen, um die Illusion von Erfolg zu erhalten. Nun beschlossen die Kapitalkatholiken, den Geldhahn zuzudrehen.

Am späten Dienstagnachmittag ist die Idee von den Mäzenen im Dienst der Pressefreiheit jäh zerplatzt, wie eine Blase an der Börse. Die dapd hat für weite Teile ihres verzweigten Firmen-Organigramms Insolvenz angemeldet, bisher für die dapd Nachrichtenagentur GmbH und die dapd Nachrichten GmbH, Anträge von sechs weiteren dapd-Töchtern (dapd Korrespondenz und Recherche GmbH, dapd International Service GmbH, dapd Sport GmbH, dfd Foto Service GmbH, dapd video GmbH und News and Medien Service Exklusiv GmbH) sollen am Donnerstag folgen.

Aus eigener Kraft nicht lebensfähig

Alle übrigen 18 Gesellschaften sowie die dapd media holding AG, sind davon nicht berührt. Insgesamt sind 299 der 515 Mitarbeiter der Gruppe von den Anträgen betroffen.

Wenn die Summe von einer Million Euro pro Monat stimmt, sagt das bei einem Jahresumsatz von knapp 32 Millionen viel über den Zustand, in dem dapd wirklich war. Aus eigener Kraft, das zeigt sich nun, konnte die Agentur nicht leben, obwohl sie ständig wuchs: Mit einem "mittleren zweistelligen Millionenbetrag" finanzierten beide 2009 den Kauf der deutschen AP-Tochter, mit der die frühere ddp zur heutigen dapd fusionierte.

In Frankreich gründete man mit der Tochter Sipa in diesem Jahr eine neue Nachrichtenagentur; Sipa Press ist von der Insolvenz nicht betroffen. Erst in der vorigen Woche kündigte dapd einen Unternehmenszweig für Entertainment-Inhalte an.

Juristische Kämpfe

Durch strategische Zukäufe und eine aggressive Preispolitik griffen sie sowohl in Deutschland den Marktführer dpa an als auch in Frankreich die Hauptnachrichtenlieferantin AFP. Auch juristische Kämpfe gab es: In Brüssel soll das Finanzierungssystem der staatlich subventionierten AFP geprüft werden; für die Auftragsvergabe des Auswärtigen Amts drängte dapd auf ein förmliches Ausschreibeverfahren und setzte sich durch. Die dpa, die zuvor stets das AA belieferte, focht das Verfahren an.

In Bezug auf die Preispolitik sprach die Konkurrenz von Dumping, das nur möglich sei, weil dapd sich nicht aus dem laufenden Betrieb finanzieren müsse und könne, wie man schon damals vermutete.

Eine Million Euro pro Monat, für so viel Geld wollten Löw und Vorderwülbecke nicht mehr heilig sein. Wer die beiden kennt, weiß, dass sie nicht immer die reine Menschenfreundlichkeit treibt, auch Profit wird gern gesehen. Dass die dapd von ihren Alimenten abhing, versetzt die Gesellschafter überhaupt erst in die Lage, als Herrscher über Solvenz und Insolvenz aufzutreten.

Beide sind mit allen Wassern gewaschene Manager. Ist auch der Exit Teil eines Business-Plans? Kalkuliert man womöglich, mit dem bewussten Gang in die Insolvenz eine harte Restrukturierung zu erzielen, nach der man neu durchstarten kann, etwa mit einem neuen Ko-Investor?

Der nun zum Geschäftsführer bestellte Anwalt Wolf von der Fecht hat sich jedenfalls vorsorglich per Gesellschafterbeschluss garantieren lassen, nicht weisungsgebunden zu handeln. Er will keine Partikularinteressen bedienen, sondern "gläubiger- und unternehmensorientiert" arbeiten, sagt er. Das heißt, er will nicht der Mann sein, der in erster Linie für Vorderwülbecke und Löw die Firma saniert. Beide haben wohl signalisiert, dabei bleiben zu wollen, wenn es gelingt, das Unternehmen kurzfristig in eine ausgeglichene Bilanz zu führen. Wie man hört, ist aber das dapd-Management, das von der Insolvenz völlig unvorbereitet getroffen wurde, mit den Gesellschaftern fertig. Das Vertrauen ist weg.

Ähnliches gilt auch für viele Mitarbeiter, die in den vergangenen 18 Monaten eingestellt wurden. Sie stehen vor einer ungewissen Zukunft. Bei der zweistündigen Betriebsversammlung wurde zwar Hoffnung genährt, dass man sich nun gesundschrumpfen könne. Aber man hat ihnen früher ja schon viel versprochen.

Schon eine ganze Weile "cash-negativ"

Auf der Betriebsversammlung sprach Vorderwülbecke über die Gründe, aus denen der aggressive dapd-Kurs aus seiner Sicht bislang nicht aufgegangen ist. Er stellte dapd als Einzelkämpfer gegen Monopolisten dar - in Frankreich und Deutschland umzingelt von Konkurrenz und unfairem Wettbewerb ausgesetzt.

In Deutschland kämpft dapd vor allem gegen dpa. Die dpa sei, so sieht es Vorderwülbecke, etwa mit den öffentlich-rechtlichen Sendern als Kunden so stark am Markt platziert, dass Konkurrenten keine Chance hätten. Mangelnde Fairness - so sieht es jedenfalls Vorderwülbecke. Dass dapd bei anderer Behandlung tatsächlich lebensfähig gewesen wäre, hat er aber nie bewiesen.

Wolf von der Fecht findet nun Firmen vor, die keine Bankschulden haben, sondern mit Gesellschafterdarlehen versorgt wurden, aber schon eine ganze Weile "cash-negativ" sind, wie er sagt. Auf Deutsch: Die Firmen verschlingen im laufenden Betrieb sehr viel Geld.

Die Mitarbeiter erhalten von September an Insolvenzgeld, zu den Feinheiten zählt aber auch, dass nach dem Insolvenzrecht freie Mitarbeiter, im Journalismus ein wichtiger Teil des Betriebs, wie Gläubiger behandelt werden. Vor diesen Problemen steht vor der Fecht. Zum Thema Stellenabbau sagt er: "Darauf wird es am Ende zumindest zum Teil auch herauslaufen müssen".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: