Wenn Agenturjournalisten selbst Stoff für Nachrichten werden, ist es meist ein schlechtes Zeichen: dapd-Redakteure in ihrem Berliner Büro.
(Foto: dapd)Der promovierte Jurist Wolf von der Fecht, 46, kann sich zuweilen über die Medienbranche auf eine freundliche Art wundern. Wenn oft keine Krawatten getragen werden zum Beispiel, oder wenn er manchmal das Gefühl hat, dass Geschäftsmodelle aus den guten alten Zeiten stammen, statt Erlöse im Digitalen zu suchen.
Allerdings muss von der Fecht selbst gerade mit den Folgen einer dramatisch gescheiterten Investitionsstrategie umgehen. Er muss die mit ungeheuer viel Geld weit nach vorne gebrachte Nachrichtenagentur dapd, der Finanzausstattung nach gewissermaßen eine Puppenstube des deutschen Journalismus, in die harte Realität holen - wo den Managern der Medienhäuser oft nicht mehr einfällt als Defensives, das die Substanz und Qualität der Produkte mehr und mehr angreift: sparen, streichen, abbauen.
Von der Fecht ist Insolvenzgeschäftsführer der acht Firmen rund um die zahlungsunfähige Nachrichtenagentur dapd. Und auch er muss nun: sparen, streichen, abbauen. 100 Stellen sollen wegfallen, rund ein Drittel der Arbeitsplätze, das hat von der Fecht am Montag um 12.30 Uhr den Mitarbeitern als Teil seines Sanierungsplans angekündigt. Es ist zu erwarten, dass vor allem der zuletzt stark ausgebaute Sportdienst zurückgefahren wird - für den viele Journalisten aus sicheren Arbeitsverträgen der Konkurrenz abgeworben wurden. Es war eines der jüngsten Expansionsprojekte der beiden Gesellschafter, der Finanzinvestoren Martin Vorderwülbecke und Peter Löw, bevor sie Anfang Oktober die Zahlungen für dapd einstellten und offenbarten, den Betrieb zuletzt mit einer Million Euro pro Monat aus ihrem Privatvermögen bezuschusst zu haben. Auch in den Führungsetagen will von der Fecht Posten streichen. Dass es in der dapd viele Häuptlinge gab, ist bekannt.
Schnelle Suche nach Investor
Die rabiaten Stellenstreichungen sollen die dapd retten, das ist das Paradox. Sie machen es möglich, dass die Agentur aus eigener Kraft arbeitet, keine Verluste schreibt, sondern eine sogenannte schwarze Null vorweisen kann. Das erhöht die Chance, einen Investor zu finden. Der Gesuchte soll möglichst bald nach dem 1. Dezember antreten und den Betrieb weiterführen, wenn die Sanierungsphase und das Insolvenzgeld für die Mitarbeiter enden - er soll verhindern, dass die dapd zugesperrt wird und in Deutschland die Deutsche Presse-Agentur allein den Markt bestimmt. Es geht um Vielfalt, um Demokratie, aber es geht in Berlin jetzt auch um die Existenzen von 300 Journalisten. Denn ob die Sanierung letztlich glückt, ist noch nicht gesagt.
Der akkurate Insolvenzexperte hat sich die Branche und den Betrieb genau angesehen in den vergangenen Wochen. Er hat am dapd-Sitz in der Berliner Reinhardtstraße Quartier bezogen und Entscheidungen nicht einsam, sondern im Gespräch gesucht. Er genießt, soweit man das unter diesen Umständen sagen kann, einen guten Ruf. Dass er nun in den kommenden Tagen mit dem Betriebsrat der Firma über einen Interessenausgleich für hundert Mitarbeiter reden wird, nennt er "eine hohe Zahl" und "sicher schmerzlich". Er sagt aber auch, dass die Zahl "nicht so groß ist, wie es manche befürchtet haben". Für die dapd sei es wichtig, sagt von der Fecht, "dass wir wissen, wir können die schwarze Null auch aus eigener Kraft schaffen" - obwohl es "nicht das Ziel ist, allein weiterzumachen".