Es muss im November 1968 gewesen sein. Gerd Bauz und Michael Nerlich waren noch Schüler im Gymnasium, als sie sich nachts in die Redaktion des Donaukuriers in Ingolstadt schlichen und ein Flugblatt der „Kampagne für Demokratie und Abrüstung“ auf die Schreibtische legten, wie sich beide erinnern. Darauf standen Zitate aus der Dissertation von Wilhelm Reissmüller von 1937. Der Nachkriegsverleger, Herausgeber und Chefredakteur des Donaukuriers hatte über „Das Plakat“ promoviert und dabei französischen Plakaten „Grausamkeit, Roheit, Bestialität, Verbrechertum“ zugeschrieben. „Der kulturell so tief stehende Ausdruck dieses Hasses“ sei „ein Monopol des französischen Volkes“.
NS-Vergangenheit in der Presse:Wenn die Aufarbeitung 80 Jahre später beginnt
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Der Verleger der NS-Parteizeitung „Donaubote“, Wilhelm Reissmüller, wurde nach 1945 Verleger des „Donaukuriers“. Wie ihm das gelang, und warum er gegen alle Kritik in der Bundesrepublik noch mit höchsten Ehren ausgezeichnet wurde.
Von Thomas Schuler

Zeitgeschichte:Die Akte Reissmüller
Zeitlebens bestritt Wilhelm Reissmüller seine NS-Nähe, klagte bis ans Bundesverfassungsgericht. Nun kommt die Wahrheit über den einflussreichen Verleger aus Ingolstadt ans Licht – ein Lehrstück mangelnder Aufarbeitung.
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