Informationspanne in Zeitungen:Falsche Wikileaks-Depesche

Ein Film von Michael Moore soll auf Kuba verboten gewesen sein. Das stimmt nicht - doch die Medien glaubten der falschen Wikileaks-Depesche.

Marc Felix Serrao

Die Korrektur war knapp gehalten, nur ein paar Sätze: "Anders als in der amerikanischen Diplomaten-Depesche, deren Inhalt wir verbreitet haben, war Michael Moores Dokumentarfilm Sicko in Kuba nicht verboten", informierte der britische Guardian an diesem Dienstag seine Leser. Er war nicht das einzige Medium, das eine entsprechende Ente, die von der Enthüllungswebsite Wikileaks stammte, zuvor kritiklos und ohne Recherche veröffentlicht hatte. Auch die New York Post, The Nation und etliche Blogs waren reingefallen.

Documentary filmmaker Michael Moore is shown on the poster for his new film 'Sicko'

Michael Moore auf dem Plakat zu seinem Film: Sicko, der auf Kuba sehr wohl gezeigt wurde.

(Foto: REUTERS)

Exakt das Gegenteil von dem, was die Wikileaks-Quelle - ein Mitarbeiter des US-Außenministeriums in Havanna - am 31. Januar 2008 nach Washington gekabelt hatte, war richtig. Sicko war dort gar nicht verboten. Der Film lief auf Kuba sogar im Kino und im Fernsehen. Auf seiner Website berichtete Regisseur Moore ("Viva Wikileaks!") nun süffisant, dass er eigens dafür gesorgt habe, dass das Film-Institut in Havanna eine 35-Millimeter-Kopie seiner satirischen Doku über die Gesundheitspolitik der USA im Vergleich zu anderen Ländern erhalte. So gut sei sein Werk angekommen.

Für den Guardian, eines der internationalen Partner-Medien von Wikileaks, ist der Vorfall unangenehm. Für andere aber auch. Weil er zeigt, dass die stolze bis arrogante Haltung, die viele Medien in Kommentaren zu Wikileaks an den Tag gelegt haben - dort die komischen Hacker, hier wir seriösen Journalisten, die alles filtern und prüfen - mitunter schlecht gedeckt ist.

Michael Moore, schon länger ein Unterstützer des verfolgten Wikileaks-Mitbegründers Julian Assange, kritisierte für die falsche Story nicht dessen Website. Die habe die Depeschen aufgetrieben, an die Presse weitergereicht, also ihre Arbeit erfüllt. Anders die Journalisten. Von denen habe sich keiner die Mühe gemacht, mal kurz im Netz zu recherchieren. Dort, so Moore, hätten sie in kürzester Zeit einen Bericht der Nachrichtenagentur AP vom Sommer 2007 finden können. Überschrift: "Kubas Gesundheitsminister sagt, Moores Film Sicko zeige menschliche Werte des Kommunismus."

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