"In gefährlicher Nähe" in der ARD:Mandant im Bett

In gefährlicher Nähe; "In gefährlicher Nähe"

Lea (Julia Koschitz) und Nick (Matthias Koeberlin) im ARD-Film In gefährlicher Nähe.

(Foto: SWR/Markus Fenchel)

"Du hast mich nie gefragt, ob ich wirklich unschuldig bin": Eine Anwältin verliebt sich nach einem Prozess in ihren Klienten. Im Endeffekt geht es in diesem ARD-Film aber um die schwierige Wahrheitssuche bei Vergewaltigungsprozessen.

Von Laura Hertreiter

Die Wahrheit in Vergewaltigungsprozessen kennen in der Regel nur zwei Menschen: der auf der Anklagebank und der, der ihn dort hingebracht hat. Was das für die Wahrheitssuche bedeutet, haben Prozesse wie der gegen Jörg Kachelmann oder Dominique Strauss-Kahn gezeigt. Der ARD-Film In gefährlicher Nähe spielt das Ringen durch, indem er die Geschichte einer jungen Anwältin, gespielt von Julia Koschitz, erzählt. Ihr Mandant, der blonde Unternehmerssohn und Titelblattschönling (Matthias Koeberlin) ist vom Vorwurf der Vergewaltigung seiner Exfreundin freigesprochen worden. Aber nach dem Urteil beschleichen seine erfolgreiche Verteidigerin Zweifel an seiner Unschuld.

Das deutsche Fernsehen hat die Spurensuche zwischen Tat und Intrige, Wahrheit und Lüge in Vergewaltigungsprozessen immer wieder durchgespielt. Zum Beispiel das mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnete ZDF-Justizdrama Das Ende einer Nacht: Es inszenierte den Prozess gegen einen Geschäftsmann, der seine Frau vergewaltigt haben soll, als zermürbendes Duell zwischen Richterin und Anwältin, in dem am Ende nichts eindeutig ist. In dem Sat 1-Film Im Alleingang: Elemente des Zweifels, vor rund einem Jahr ausgestrahlt, beschuldigt eine Kindergärtnerin einen Politiker, sie bei einem sexuellen Rollenspiel missbraucht zu haben. Hier wechselt eine Anwältin mehrmals die Seiten.

Touch von billigem Horrofilm

In gefährlicher Nähe ist die zweifelnde Juristin eine psychologisch reichlich überfrachtete Figur, deren Mutter mit einem anderen Mann durchgebrannt ist und sie beim ehrgeizigen, groben Vater zurückließ. Ein Kindheitstrauma. Lea Jung verliebt sich in ihren freigesprochenen Mandanten, stellt sich aber Fragen, als sie mehrmals von dessen labiler Exfreundin (Johanna Klante) gewarnt wird. Wenn sie Lea in düsteren Parkhäusern - wo sonst? - und auf nächtlichen Straßen auflauert, hat das einen Touch von billigem Horrorfilm.

Aber die Frage, ob sich die Anwältin mit einem Vergewaltiger oder mit dem Opfer einer Falschbeschuldigung eingelassen hat, bleibt bis zum Showdown offen - und der Film deshalb spannend. Obwohl es Geschichten um gefährliche Liebschaften zwischen Anwalt und Mandant zur Genüge gibt. Große Teile des Dialogs wirken ebenfalls irgendwie bekannt. "Wenn ich dich nicht bekomme, bekommt dich niemand" oder "Du bist doch alles, was ich habe".

Bei Kerzenschein und Kuschelrock sagt der frisch freigesprochene Mandant zu seiner Anwältin: "Du hast mich nie gefragt, ob ich wirklich unschuldig bin." Sie antwortet da noch mit Zeitlupen-Augenaufschlag: "Ich glaube, dass jeder seine eigene Version von Schuld und Wahrheit hat." Was wirklich passiert ist, interessiert sie nicht aus juristischen, sondern erst später aus romantischen Gründen. Entsprechend kitschig ist die Spurensuche bisweilen.

In gefährlicher Nähe, ARD, 20.15 Uhr.

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