Das mit den weiblichen Actionheldinnen in der Film- und Serienwelt hat möglicherweise eine unerwünschte Nebenwirkung: Jede Form realer Doppelbelastung sieht neben der fiktiven irgendwie mickrig aus. Jenny, die Hauptfigur der Serie In from the Cold, kann in atemberaubenden Kampfszenen ein halbes Dutzend ziemlich finsterer Kerle in die Horizontale befördern, muss aber den einen oder anderen Dienst an der Rettung der westlichen Demokratie aufschieben, um ihrer Mutterrolle gerecht zu werden. Was auch immer es ist, sagt sie ihrem Boss von der CIA, es muss warten. Die Tochter geht vor.
Warum eigentlich verwenden Serien manchmal ganze Episoden auf Wendungen, die man schon beim Einsetzen des Vorspanns kommen sieht? In from the Cold fängt mit mehreren Attentaten in Madrid an, ein Mann begrüßt Gäste einer Cocktailparty, dann werden seine Augen blau, und er bringt einen von ihnen um; eine Frau sitzt in einem Café, plötzlich werden ihre Augen blau, sie greift nach dem Messer neben ihrem Teller und ersticht eine Frau mit einem Baby. Und dann kommt Jenny an: eine amerikanische Eislaufmutter, die ihre Tochter zu einem Wettbewerb nach Madrid begleitet. Man kann sich irgendwie denken, dass sie keine amerikanische Hausfrau ist. In from the Cold macht aber ein ziemliches Gewese daraus, dass die CIA in ihr eine vor langer Zeit untergetauchte russische Spionin mit besonderen Fähigkeiten vermutet, was sie natürlich leugnet. Wie sollte aus dieser Folge eine Serie werden, wäre das wahr?
Sie ist in Wirklichkeit die russische Spionin Anya, und der CIA-Mann in Madrid muss ihr die Daumenschrauben anlegen, damit sie mitmacht. Sie würde sich viel lieber auf Becca konzentrieren, ihre Tochter, mit der sie es gerade nicht leicht hat - Jenny hat sich gerade von Beccas Vater getrennt. Aber es gibt den Verdacht, dass die Vorgänge in Madrid mit ihrer früheren Arbeit zu tun haben.
Trailer zur Serie:
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Die Vorgeschichte wird in Rückblenden eingearbeitet, Anya in Moskau in den Neunzigern - Jennys Gegenwart wäre allerdings auch schon unübersichtlich genug. Der ganze Plot hat ein paar doppelte Böden zu viel. Eins ist jedoch immer klar - die CIA steht auf der Seite der Gerechten. Naja. Aber immerhin: In from the Cold wird über die ersten Folgen hinweg spannender und entspannter, vielleicht wäre eine zweite Staffel richtig gut (die erste ist es nicht), zumal die ein wenig schlichte Verteilung von Gut und Böse dafür, das sieht man am Ende, noch mal variiert werden müsste.
Die wunderbar choreographierten Kampfszenen sind aber wirklich eindrucksvoll. Und Jenny/Anyas besondere Fähigkeit, Ergebnis eines großen, ansonsten gescheiterten Versuchs der russischen Geheimdienste, ist zwar keine neue, aber eine richtig gute Idee: In Kobra, übernehmen Sie, der Serie aus den Sechzigern, die im Original Mission: Impossible hieß und im Kino bis in die Gegenwart weiterlebt, waren die Agenten, wenn es nötig war, Schwupps, einfach jemand anders. Jenny kann das auch, nur ist bei ihr die Verwandlung qualvoll. Schön anzusehen ist das nicht. Wirkt aber schlüssiger.
In from the Cold, auf Netflix.