Süddeutsche Zeitung

Imam bei Günther Jauch:Ein Alphatier faucht in der Arena

Der Imam Abdul Adhim Kamouss soll überführt werden - als Salafist und gefährlicher Verführer. Doch dann sprengt er die Sendung eines überforderten Moderators Günther Jauch. Weil er die Mechanismen der Talkshow erkannt hat.

Von Matthias Drobinski

Die Aufregung über den Auftritt von Abdul Adhim Kaouss bei Jauch zeigt eine einfache Talkshow- Wahrheit: Wer ganz ohne Zweifel ist, quatscht immer alles nieder.

Jetzt regen sich alle auf über Abdul Adhim Kamouss, den Prediger aus der Berliner Al Nur-Moschee, der dem überforderten Günther Jauch die Sendung gesprengt, Wolfgang Bosbach an die Decke gehen lassen und Heinz Buschkowsky in den Bluthochdruck getrieben hat. Man muss den Typen nicht sympathisch finden, wie er das Predigerlächeln anknipste und die Floskelmaschine anwarf, wie er alle und alles niederredete. Nur: Schön doof war die Redaktion, die ihn eingeladen hatte. Schön doof war der Moderator, der ihn da in die Arena stellen und enttarnen wollte.

Es hätte auch nicht funktioniert, wenn dieser Moderator besser im Thema gewesen wäre. Immerhin hat die viel gescholtene Sendung einiges über die Stärke fundamentaler Positionen in der Diskursgesellschaft gezeigt und über das Elend des Talkshowgeschäfts, auf Kosten des Inhalts und leider auch auf Kosten der meisten Muslime, die im Titel der Sendung "unsere" Muslime genannt wurden. Unsere? Weil sie "uns" gehören, wer immer uns sei? Weil "wir" eine Art kollektive Krankenschwester sind, die morgens den Patienten fragt: "Na, wie geht's uns denn heute?"

Stilecht mit Umhang und Kopfputz

Der Imam, der da stilecht mit Umhang und Kopfputz saß, sollte kein gleichwertiger Diskurspartner sein. Die Redaktion hatte kritische Filmchen über ihn vorbereitet, der CDU-Innenexperte Bosbach und der Neuköllner Bürgermeister Buschkowsky standen bereit, ihn zu filetieren. Abdul Adhim Kaouss sollte überführt werden, als Salafist und gefährlicher Verführer jetziger Dschihadkämpfer. Nur hat er sich nicht die Schuhe angezogen, die ihm da hingestellt wurden. Salafist? Stimmt doch gar nicht. Radikal? Radikal für den Frieden. Das Video, das ihn mit dem Ex-Rapper und heutigen IS-Kämpfer Deso Dogg zeigt? Er könne halt leider nicht alle überzeugen. Der Satz, dass Frauen nicht ohne Erlaubnis des Mannes das Haus verlassen dürfen? Das habe er vor zwölf Jahren gesagt und inzwischen seine Meinung geändert.

Leute, die ihn kennen, sagen, dass er sich tatsächlich geändert habe und dass er heute in der insgesamt wenig erfreulichen Al Nur-Moschee zu den nicht so unerfreulichen Predigern gehöre. Andere sagen, das sei bloß Fassade. Manches, was er in der Sendung gesagt hat und was sich im Internet findet, lässt darauf schließen, dass der Mann sehr wohl ein Fundi ist. Nur: Das darf man sein in diesem Land, zum Glück. Das beweist auch nicht, dass er für den Dschihad wirbt. Über die Einstellungen von Abdul Adhim Kaouss hätte man scharf und kontrovers diskutieren können - wenn denn Zeit und Interesse da gewesen wäre. Wenn es Verfassungsfeindliches, gar Strafbares gibt, muss man das recherchieren und belegen. Und nicht dasitzen und ihn anpflaumen: Geben Sie es doch endlich zu!

Rede. Predige. Rede immer weiter

Man kann verstehen, dass der Mann sich vehement gewehrt hat - wenn er kein Menschenverführer ist, um seine Reputation zu retten, wenn er die Fassade aufrechterhalten will, aus gutem Grund. Er hat es mit den Mitteln getan, die dem in einer Talkshow zur Verfügung stehen, der von keinem Zweifel angefressen ist und die Wahrheit auf seiner Seite weiß: Rede. Predige. Rede immer weiter.

Sag, dass du das Beste willst, für Frieden und Harmonie bist, dass das aber immer welche missverstehen. Dementiere, stelle Behauptungen auf. Die anderen tun das ja auch - man kann ja nicht sagen, dass in dieser Sendung Herr Bosbach ein Muster der Nachdenklichkeit gewesen ist. Wer sich selbst gegen den Zweifel immunisiert, beherrscht die Debatte. Er gewinnt gegen alle, die wirklich diskutieren wollen, die den Panzer des Selbstgerechten ablegen und das Visier des Fraglosen öffnen. Das macht ja Fundamentalismus gerade für die attraktiv, die sonst in der Debatte nicht mithalten können.

Die Talkshows haben selber dazu beigetragen, dass bei ihnen die Zweifellosen auftreten und nicht die Differenzierer. Sie wollen ja eine Arena sein, in der das eine Alphatier fauchend das andere umkreist und der Zuschauer mit wohligem Schauer darauf wartet, dass einer zubeißt oder sich die entscheidende Blöße gibt. Auch deswegen sind die Arenen besetzt, wie sie besetzt sind: Je dezidierter die Meinung, desto besser, und ein bisschen Krawall schadet nicht. Manchmal aber schlägt das System zurück, und ein Imam quatscht alles nieder, weil er den Mechanismus erkannt hat und höher, lauter, schneller redet. Schön doof.

Liebe Fernsehmacher, Talkshowverantwortliche, Programmdirektoren, welcher Anstalt auch immer: Könnt ihr wenigstens solche Entlarvungssendungen lassen, egal, ob ihr Sahra Wagenknecht oder den Imam Kaouss in die Manege stellen wollt? Steckt das Geld in eine ordentliche Recherche. Schickt Reporter los, die herauszufinden versuchen, was nun hinter dem Mann steckt. Und sagt, dass es nicht um "den Islam" geht, sondern um einen Imam und sein Umfeld. Aber veranstaltet keine Scherbengerichte. Der Zuschauer dankt sehr.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2155133
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 04.10.2014/tgl
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.